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032 - Die magische Seuche

032 - Die magische Seuche

Titel: 032 - Die magische Seuche
Autoren: B.R. Bruss
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Gleichgewicht zu bringen. Aber ich mußte mich sehr beherrschen, um nicht mein Entsetzen zu zeigen.
    Meine Kollegen und ich hatten einige Zusammenkünfte in der Klinik. Wir waren zu der Ansicht gekommen, daß wir ungeregeltem Zellenwachstum gegenüberstanden, wie es Karzinome mit sich brachten. Nur daß es sich in unseren Fällen eben nicht um Krebs handelte.
    Worum handelte es sich dann? Um einen Virus, der sogar die Knochen wachsen ließ? Unwahrscheinlich.
    Aber wir beschränkten uns im Grunde darauf, die Tatsachen zu konstatieren, ohne eine Erklärung dafür zu finden. Wir standen diesem Leiden machtloser gegenüber als dem Krebs.
    Wir baten alle medizinischen Berühmtheiten, die wir kannten, um ihre Ansicht. Die Antworten waren vorsichtig und unbestimmt. Aber ein weltbekannter Mediziner besuchte uns, außerdem ein Abgesandter des Gesundheitsministeriums, das wir ebenfalls informiert hatten.
    Beide waren sprachlos. Sie vermuteten gleichfalls, daß man es in diesen Fällen mit ungeregeltem Zellenwachstum zu tun hatte, ließen es aber dabei bewenden. Der Abgesandte des Ministeriums trug uns auf. ihn auf dem laufenden zu halten.
    In den darauffolgenden zwei Monaten hatten wir etwa dreißig neue Fälle, das heißt also, im ganzen nunmehr über vierzig ungeklärte Fälle.
    Ich verbrachte viele Stunden bei Leon in seinem kleinen Labor in der Klinik, um Blut- und Gewebeproben der Erkrankten zu testen. Unsere Patienten fühlten sich übrigens weiterhin äußerst wohl und hatten sonst keinerlei Beschwerden. Die unerklärlichen Veränderungen, die sich bei ihnen bemerkbar machten, brachten keine Schwächung ihres allgemeinen Gesundheitszustandes. Aber sie waren alle niedergeschlagen und nervös, und gingen kaum mehr aus.
    Das Berufsgeheimnis und die Angst, die Bevölkerung in Panik zu versetzen, ließ meine Kollegen und mich über die Sache Stillschweigen bewahren. Trotzdem sprach sich alles herum.
    In den Straßen und auf den Plätzen Hercenats sah man weniger lachende Gesichter als früher: Die Leute gingen weniger aus ihren Häusern. Auch in den Nachbarorten begann man unruhig zu werden.
    Trotzdem blieb die Krankheit auf unsere Gegend beschränkt. Meine Kollegen und ich hatten das Ausbreitungsgebiet auf einer Karte abgesteckt. Es hatte sich vergrößert, da gab es keinen Zweifel, blieb aber deutlich auf die Gegend um Hercenat beschränkt.
    Mein Freund Leon Nelsy schob seine Heirat nicht länger auf. Am 2. August feierten er und Clara Hochzeit. Ich war der Trauzeuge des Bräutigams, Lucie die Zeugin der Braut. Ein netter, herzlicher Abend beendete den Festtag. Wir hatten alle unsere Sorgen vergessen.
    Leon und Clara traten noch in derselben Nacht ihre Hochzeitreise an.
    Sie hätten besser getan, niemals zurückzukommen.
     

     
    Die Geschehnisse, die ich bisher geschildert habe und die, wie gesagt, die Bevölkerung ernsthaft zu beunruhigen begannen, waren nichts als ein dramatisches Vorspiel zu dem, was noch kommen sollte.
    Zwei Tage nach Leons Hochzeit erhielt ich den Anruf eines Mannes, den ich sehr gut kannte. Es war Luden Bradel, ein reicher Viehzüchter, der seinen Besitz bei Neyrat am Ufer der Sive hatte. Ich behandelte seine Familie, seit ich hier lebte.
    Bradel schien ängstlich. „Ich möchte, daß Sie so bald wie möglich vorbeikommen, Herr Doktor“, sagte er. „Es geht um meinen Sohn Robert. Ich hätte ihn gern zu Ihnen gebracht, aber Sie wissen, er liegt mit einem gebrochenen Bein im Bett. Mit dem Bein schein alles in Ordnung zu sein. Es ist nur – an seiner linken Schulter beginnt etwas zu wachsen, und ich fürchte, es handelt sich um diese geheimnisvolle Krankheit. Er hat große Angst, und ich auch.“
    An diesem Nachmittag hatte ich wenig Patienten in meiner Praxis, und ich konnte daher zeitig zu Robert Bradel hinausfahren,
    Robert, der dritte Sohn Lucien Bradels, war ein kräftiger Junge von vierzehn Jahren, lebhaft und stets zu wilden Streichen aufgelegt. Ich selbst hatte seinen Bruch vor zehn Tagen behandelt und eingerenkt. Es war eine etwas komplizierte Sache gewesen, aber Robert hatte mit keiner Wimper gezuckt.
    Jetzt sah er mich mit erschrockenen Augen an.
    „Also, zeig mir schon deine kalte Schulter!“ sagte ich mit einer Fröhlichkeit und einem Optimismus, die ich nicht im entferntesten empfand.
    Er schob sein Hemd zurück.
    Die Erleichterung wogte mir ganz warm ums Herz. Da war wohl eine Geschwulst auf seiner Schulter, aber ich dankte dem Himmel, daß es nichts als ein großes Furunkel war,
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