Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0317 - Der Seelenschmied

0317 - Der Seelenschmied

Titel: 0317 - Der Seelenschmied
Autoren: Rolf Michael
Vom Netzwerk:
kann. Arere vermochte Monuka, den Dämon von Tahiti, zwar nicht in seine Dienste zu zwingen , doch auch den Bitten um Hilfe würde sich der Dämon nicht verschließen.
    So lange er lebte, hatte Arere niemals von seinen Künsten Gebrauch gemacht. Der Jüngling fügte sich in sein Schicksal, als Eremit auf dieser Insel das Heiligtum zu hüten. Der Mann erkannte es als seine Lebenspflicht. Jetzt als Greis gab es für ihn nur die einzige Abwechslung im Leben, wenn von den Inseln gläubige Menschen mit ihren Ausliegerbooten kamen, andachtsvoll die Höhle betraten und »Oh!« zu der Statue sagten. Die mitgebrachte Opferspeise, die Arere anstelle des Götzen verzehrte, bildete eine Abwechslung – denn sonst ernährte sich der Hochpriester Nomukas von dem, was ihm die üppige Vegetation der Insel bot.
    Alt war Arere geworden. Sein ehemals schwarzes Haar war weiß wie der Sandstrand der Insel. Sein Körper war abgezehrt und knorrig wie der Stamm eines uralten Brotfruchtbaumes. Doch hatten ihn die Sommer und Winter nur abgezehrt und fleischlos gemacht – beugen vermochten sie ihn nicht.
    Runzeln durchzogen wie tiefe Gräben Areres Gesicht. Doch in seinen schwarzen Augen glühte ein unstillbares Feuer. Weisheit und tiefste Erkenntnis sprachen daraus. Aber auch Macht.
    Von der Höhe des Felsens aus beobachtete Arere, wie sich der mächtige Rumpf der Galeone, von drei Ruderbooten gezogen, immer weiter den Fluß hinauf schob. Er wußte, daß sie die Höhle nicht erreichen konnten, bevor die Sonne die Spitze des Berggipfels küßte.
    Er hatte schon von diesen hellhäutigen Männern vernommen. Sie kamen von dort, wo die Sonne aufgeht, und waren wie die gräßlichsten Dämonen, mit denen die Mütter auf Tahiti ihre Kinder erschreckten. Erst waren sie freundlich und gaben Geschenke. Glitzernde Steine und glänzende Stoffe, wie man sie aus den Fasern der Palmen niemals herstellen konnte.
    Doch dann hielt man den Eingeborenen von Tahiti zwei seltsam überkreuzte Zweige hin und wer sich nicht davor verneigte und »Oh« sagte, dem erging es sehr schlimm. Dann wurden die Siedlungen verheert und viele Menschen getötet.
    Arere hatte davon gehört. Doch bis Manaua-Naua waren die großen Kanus der weißhäutigen Männer nicht gekommen. Deshalb hatte er auch die Kanonenschüsse sich nicht erklären können.
    Jetzt aber stieg er, so schnell er vermochte, von seinem Felsen herab. Wenn die Weißen in der Geschwindigkeit weiter voran kamen, dann konnte er zum Strand gehen und wieder zurückkehren, bevor sie das Heiligtum betraten.
    Schon aus der Entfernung hörte er aufgeregtes Reden und Wehklagen. Und dann sah er die Toten.
    Er vernahm, daß die Männer das Heiligtum vor den weißen Eindringlingen schützen wollten. Doch dann hätten Dämonen, die von den Weißen »Kanonen« genannt wurden, Feuer gespien. Mit Pfeilen, Speeren und Kriegskeulen konnte man die hellhäutigen Männer nicht besiegen.
    Arere schwieg. Doch im Geiste zählte er die Gefallenen.
    Bis auf einen einzigen Mann war es die Zahl der Weißhäutigen, die auf dem großen Kanu fuhren.
    »Wartet noch einen Tag, bis ihr ihren Seelen den Weg freigebt, über das große Wasser zu rudern!« sagte er nach einer Weile. »Es mag sein, daß sie sich wieder erheben und erneut zu leben beginnen!«
    Stimmen schnatterten durcheinander. Mit einer einzigen Handbewegung schnitt Arere ihnen das Wort ab.
    »Ich werde Nomuka anrufen. Wenn er es will, dann werden eure Brüder und Vettern wieder leben. Die Seelen der Männer, die sie töteten, werden ihren Körpern dienen – wenn noch ein Mensch von den Inseln den Weg zu Nomuka antritt, um die Zahl auszugleichen!«
    »Ich gehe zu Nomuka, wenn unsere Brüder wieder leben können und die hellhäutigen Bastarde sterben!« knurrte ein kräftig gewachsener Krieger und drängte sich nach vorn.
    » Ich werde Nomuka anrufen und ›Oh‹ zu ihm sagen!« erklärte Arere. »Nomuka entscheidet selbst, wen er erwählt. Geht nun zum Strand und versorgt die Toten, wie ihr die Lebenden versorgen würdet, wenn für die Zeit einer Ohnmacht das Leben aus ihnen entweicht!« Mit diesen Worten drehte sich der Hochpriester des goldenen Götzen um und ging zum Wald. Einige Herzschläge später hatte ihn der grüne Schleier der Blätter verschlungen…
    ***
    »Da vorn. Eine Höhle!« brüllte der Mann im Bug, der durch das Blättergewirr über den Fluß herabhängender Zweige blickte und mehr erkennen konnte als die Männer in den Booten.
    Mit schnellen Schritten rannte der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher