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0315 - Der Mörder

0315 - Der Mörder

Titel: 0315 - Der Mörder
Autoren: Der Mörder
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hoch, vorbei an erleuchteten Fenstern, an neugierigen Gesichtern, an dunkler Hauswand.
    ‘
    Diese alten Feuerleitern sind im Grunde genommen Treppen aus Stahl, mit relativ breiten Stufen und einem Geländer.
    Sie sind in einer unregelmäßigen Zickzackweise längs der Häuser angelegt, um möglichst allen Bewohnern einen Fluchtweg zu öffnen, aber sie werden heute nicht mehr gebaut.
    Diese war glitschig vom Ruß und Dreck eines halben Jahrhunderts. Der Himmel mochte wissen, wie viele Nieten durchgerostet, wie viele der Anker, mit denen sie an der Mauer befestigt war, sich gelockert hatten.
    Auf jeden Fall schwankte sie zwischen dem vierten und fünften Stock wie der Mast eines Segelschiffes in einem mittleren Taifun.
    New Yorks Himmel ist nie dunkel. Tausende von Leuchtreklamen erhellen ihn, und der Zufall wollte es, dass auf dem Dach des Hauses eine Neonreklame für irgendetwas aufgestellt war, die zehn Sekunden lang rot aufleuchtete, drei Sekunden erlosch, zehn Sekunden lang in Blau flammte, erlosch und wieder Rot.
    Ich sah die Gestalten des Mannes und der Frau gegen das Licht. Sie hatten das Ende der Feuertreppe erreicht. Der Mann stemmte die Frau hoch. Sie klammerte sich an den Rand des Daches, und sie schien sich hinauf ziehen zu wollen.
    »Ich schaffe es nicht!«, schrie sie. Nur noch drei Dutzend Stufen trennten uns.
    »Gebt auf!«, rief ich. »Hoch mit den Händen!«
    Der Mann ließ die Frau los. Sie fiel auf die Treppe zurück. Im selben Augenblick blitzte es dort oben auf.
    Die Kugel schlug Funken aus dem Stahl des Treppengeländers - keine zwei Fuß von mir entfernt, und ich fürchte, er hätte getroffen, wenn er nicht in die Dunkelheit des Hofes hinein hätte feuern müssen.
    Ich ließ mich nach vorn fallen, verlor den Halt unter den Füßen und rutschte ein halbes Dutzend Stufen hinunter. Eine der Eisenkanten schrammte mir die Haut vom Schienbein.
    Er schoss nicht zum zweiten Mal, und als ich den Kopf hob, verschwanden seine Beine gerade über dem Dachrand.
    Ich raffte mich auf. In Panthersätzen raste ich die letzten Stufen hoch.
    Die Feuertreppe erweiterte sich an ihrem Ende zu einem kleinen Podest. Die Frau lag auf der Stahlplatte. Ich beugte mich über sie.
    Sie lebte. Ihr Atem ging keuchend. Sie schien völlig erschöpft.
    »Man wird sich um Sie kümmern! Bleiben Sie hier!«
    »Dreckiger Polizist!«, spuckte sie mir ins Gesicht. »Brich dir das Genick!«
    Hallo, welch ein Herzchen!
    Der Dachrand befand sich so hoch über dem Podest, dass ich ihn gerade mit den Händen erreichen konnte.
    Ich packte an, stemmte einen Fuß auf das Geländer der Treppe, stieß mich ab und schaffte es, den Oberkörper über den Rand zu bringen.
    Eine scheußliche Sekunde lang hatte ich das Gefühl, zurückzurutschen, und hastig zog ich die Beine nach.
    Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass der Mörder nicht einmal zu schießen brauchte. In dieser Lage hätte für mich ein Fußtritt genügt.
    Ich rollte mich um die eigene Achse, zog, noch im Rollen, wieder die Kanone und sprang auf.
    »Phil!«, brüllte ich.
    Ich bekam keine Antwort.
    Irgendwo dröhnten dumpfe Schläge.
    Wieder flammten die Neonröhren der Leuchtreklame auf. Die einzelnen Buchstaben waren mehr als mannshoch, und man mochte die Reklame auf dem Dach errichtet haben, weil sie vom Riverside Drive zu lesen war.
    Das Dach war in rötliches Licht getaucht. Ich sah die Bewegung, mit der der Mörder sich hinter einen Schornstein wand.
    Ich brach nach links aus, um Deckung zwischen dem Gerüst zu suchen, das die Buchstaben der Reklameschrift hielt. Ich stolperte zwischen Verstrebungen und Drähten.
    Die Neonröhren erloschen. Die schlagartige Dunkelheit machte mich fast blind.
    Nach drei Sekunden erfüllte blaues Licht das Dach, noch gespenstischer als das rote.
    »Crude, es gibt keine Chance!«, rief ich. »Ergib dich!«
    Zum ersten Mal antwortete er. Zum ersten Mal hörte ich seine Stimme, und es fällt mir schwer, den Klang dieser Stimme zu beschreiben. Es war eine eiskalte, eine nicht laute, eine fast nüchterne Stimme, und doch schwang etwas darin mit, das an einen Vulkan denken lässt, der jeden Augenblick ausbrechen kann.
    »Ich habe es verstanden«, antwortete der Mörder. Er tauchte hinter dem Schornstein auf, hetzte in drei Sprüngen durch das blaue Licht und verschwand auf der anderen Seite des Buchstabengerüstes, auf jener Seite also, auf der die Neonröhren angebracht waren.
    Ich warf mich nieder, wand mich unter dem Gerüst durch.
    Die
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