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031 - Die blaue Hand

031 - Die blaue Hand

Titel: 031 - Die blaue Hand
Autoren: Edgar Wallace
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Zu ihrem Erstaunen spürte sie, daß an einer bestimmten Stelle das Holz unter dem Druck ihrer Finger nachgab. Eine kleine Klappe sprang auf, deren feine Scharniere so kunstgerecht angebracht waren, daß man sie von außen nicht sehen konnte.
    Ein Geheimfach in einem alten Sekretär ist keine außergewöhnliche Entdeckung. Neugierig tastete Eunice das Fach ab und zog ein zusammengefaltetes Aktenstück heraus. Sonst befand sich nichts in dem Versteck.
    Durfte sie das Schriftstück lesen? Wenn Mrs. Groat es so sorgfältig und geheim aufbewahrte, wollte sie es offenbar vor fremden Augen schützen. Trotzdem, es konnte vielleicht nützlich sein, wenn sie als Sekretärin wußte, was ... Unschlüssig öffnete sie das Schreiben. Am Kopf des Dokumentes war ein Stück Papier angeheftet, auf das Mrs. Groat geschrieben hatte: Dies ist mein Letzter Wille, der gleichlautend ist mit den Instruktionen, die ich Mr. Salter in einem versiegelten Briefumschlag übergeben habe.
    Das Wort Salter war ausgestrichen, darüber stand der Name einer anderen Anwaltsfirma. Bei dem Dokument handelte es sich um ein vorgedrucktes Formular, wie man es überall kaufen konnte. Der eigentliche Text war nur kurz: Ich hinterlasse meinem Sohn Digby Francis Groat zwanzigtausend Pfund, außerdem mein Haus in London, 409 Grosvenor Square, mit der gesamten Einrichtung. Mein übriges Vermögen vermache ich Ramonez, Marqués von Éstremeda, in Madrid.
    Die Zeugen, die das Testament unterschrieben hatten, kannte Eunice nicht, sie waren als Dienstboten bezeichnet und mußten wohl ihre Stellung wieder aufgegeben haben.
    Beim weiteren Aufräumen des Schreibtischs fand sie eine Miniatur, die eine schöne Frau mit kühnen Gesichtszügen und dunklen, sprühenden Augen darstellte. Der Kleidung und Frisur nach mußte das Bild um 1880 herum gemacht worden sein. Sie hätte gern gewußt, wen es darstellte. Sie nahm das Bildchen mit und zeigte es bei Tisch Digby Groat.
    »Ach, das ist meine Mutter«, antwortete er gleichgültig. Eunice war überrascht. Er lachte.
    »Wenn man sie jetzt Sieht, würde man nicht glauben, daß sie früher so ausgesehen hat. Sie muß in ihrer Jugend sehr schön gewesen sein - ein wenig zu schön -.«
    Plötzlich nahm er ihr die Miniatur aus der Hand und schaute auf die Rückseite des Bildes. Sie sah, daß er blaß wurde.
    »Entschuldigen Sie - meine Mutter schreibt manchmal sonderbare Dinge auf die Rückseite ihrer Bilder.« Er machte einen zerstreuten Eindruck und wechselte das Thema. »Miss Weldon, wissen Sie, wie Sie zu dieser Narbe an Ihrem Handgelenk gekommen sind?«
    »Es tut mir leid, daß ich sie Ihnen gezeigt habe. Sie sieht häßlich aus.«
    »Wissen Sie nichts darüber?«
    »Nein, meine Mutter hat es mir nicht gesagt. Es sieht aber so aus, als ob es eine Brandnarbe wäre. Nur - ich kann einfach nicht verstehen, daß Ihre Mutter deswegen den Anfall bekommen haben soll.«
    »Ich nehme es aber doch an - es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen.«
    Er untersuchte den roten, runden Fleck sehr genau. Er hatte sich schon die größte Mühe gegeben, seine Mutter darüber auszufragen, ohne Erfolg damit zu haben. Seit drei Tagen lag sie apathisch im Bett, und wenn er seine Besuche im Krankenzimmer machte, schien sie ihn weder zu hören noch zu sehen. Jetzt erholte sie sich langsam. Bei der ersten Gelegenheit wollte er eine Erklärung von ihr fordern.
    »Haben Sie sonst noch etwas gefunden?« fragte er mißtrauisch. Er fürchtete sich stets vor neuen, unbesonnenen Handlungen seiner Mutter. Ihr katastrophaler Hang zum Stehlen konnte einmal bekanntwerden.
    Sie überlegte sich, ob sie ihm von ihrem Fund im Geheimfach erzählen sollte. Er las Zweifel und Unschlüssigkeit in ihrem Gesicht und wiederholte seine Frage.
    »Ich fand das Testament Ihrer Mutter«, sagte sie zögernd.
    Er hatte sein Frühstück schon beendet und rauchte. Aber die Zigarre fiel auf den Teppich, als er ihre Mitteilung hörte, und sein Gesicht wurde dunkel.
    »Ihr Testament!« rief er. »Sind Sie auch ganz sicher? Ihr Testament ist beim Rechtsanwalt deponiert. Es wurde vor zwei Jahren aufgesetzt.«
    »Das Testament, das ich gesehen habe, wurde erst vor zwei Monaten unterzeichnet«, erwiderte sie erschrocken. »Ich hoffe, daß ich nicht ein Geheimnis Ihrer Mutter verraten habe.«
    »Zeigen Sie mir einmal dieses Dokument!« Digby erhob sich, er sprach abgerissen und heiser, und sie wunderte sich über sein verändertes Wesen.
    Sie gingen zusammen in das dürftig eingerichtete
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