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03 - Schatten Krieger

03 - Schatten Krieger

Titel: 03 - Schatten Krieger
Autoren: Michael Cobley
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zu können. Eine Art Fieberkrampf hielt ihn in seinen Klauen, und ihm lief der Schweiß über Hals und Arme. Er riss den Mund weit auf, und im Ausdruck seiner Augen lag grausiges Entsetzen. Sie rollten unkontrolliert in den Höhlen, ihr Blick irrte durch die Kaverne und richtete sich immer wieder flehentlich auf das große Gesicht auf dem Boden der Kammer, das nur leise lachte, während es ihn beobachtete.
    Kurz darauf kamen Jumils Augen zur Ruhe, wurden leblos und glasig. Sein Körper jedoch zuckte merkwürdig rastlos, als würden die Muskeln sich unaufhörlich verkrampfen und wieder lösen. Arme und Beine spannten sich an, und die Knochen schienen sich in ihren Gelenken zu bewegen. Obwohl der Schreiber Jumil tot war, richtete sich sein Leichnam auf. Sein Kopf bewegte sich ruckartig, sein Gesicht wirkte aus der Form geraten, und seine Haut war teigig und straff gespannt.
    Dann knackte es, und der Leichnam des Schreibers sank zusammen. Etwas zerriss mit einem unangenehmen Geräusch, und Blut spritzte auf den Boden der Kammer. Die Laute wiederholten sich, als würde lebendiges Fleisch zerfetzt, dann holte jemand gurgelnd Luft und zischte kehlig. Eine dunkle, schlanke Gestalt wand sich aus dem blutigen Leichnam wie aus einem Kokon, zerbrach die Reste von Jumils Schädel und hockte sich schwer atmend neben den Kadaver.
    Willkommen, Xabo,
sagte das Gesicht des Großen Schatten.
Willkommen in der Zwischenwelt.
»Meister, ich …« Die heisere Stimme erstickte in einem heftigen Hustenanfall. »Mein Kopf scheint von einem Fieber mit merkwürdigen Wahnvorstellungen erfasst zu sein«, fuhr sie dann fort. »Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen …«
    Du bist durch ein Bluttor in dieses Reich hinübergewechselt, durch einen Mann namens Jumil. Seine Essenz und seine Erinnerungen trüben deinen Verstand. Lass sie ihren Platz finden, Xabo, und mache sie dir dann zu Eigen. Du wirst sie in den kommenden Tagen dringend benötigen.
    Der grelle, grüne Schein aus dem großen Gesicht fiel auf feucht schimmernde Glieder und beleuchtete ein haarloses, hageres Gesicht, in dem rote Augen funkelten.
    »Ja, ich sehe Bilder aus seiner Vergangenheit, Meister, und erkenne ihre Bedeutung. Es gibt viele Verbindungen, obwohl ich glaube, dass der General der Dämmerung eine bessere Wahl gewesen wäre als ich.«
Nein. Auf ihn warten andere Pflichten, für deren Erfüllung er einzigartige Fähigkeiten besitzt. Konzentriere du dich auf deine Gestalt, denn ihre Gliedmaßen, ihre Haut und ihr Gesicht werden sich bald verändern. Jumils Erinnerungen sind nicht der einzige seiner Aspekte, die du annehmen wirst.
    Der haarlose, schwarze Schädel nickte. »Ich werde dieser Jumil werden, Meister, die Herden der Nacht-Geschöpfe auf ihre große Aufgabe vorbereiten und die Wächter zerschmettern, bevor sie eine Gefahr werden.«
    Sehr gut. Nur ist diese Gefahr bereits sehr real, Xabo. Ich weiß das, nachdem ich kürzlich die Identität ihres Anführers herausgefunden habe … Wahrlich, als ich dieses Wissen aufdeckte, wurde die Vergangenheit in mir lebendig. Du kennst ihn ebenfalls, Xabo. Es ist derjenige, welcher sich von mir abwandte und versuchte, mich im entscheidenden Moment des großen Kampfes zu hintergehen …
    Xabos Gestalt versteifte sich.
    »Ich dachte, er wäre gestorben.« Hass flammte in seinen Augen auf. »Wie ich es genießen würde, ihn in Eurem Weißen Gefängnis ausgestellt zu sehen, Höchster!«
    Dennoch lebt er und versucht erneut, mich zu hintergehen. Er hat mittlerweile den Namen Calabos angenommen …
    »Dieser Name …«Xabo hielt inne. »Er kommt mir… bekannt vor. Ein Poet, ein Dramaturg …«
Bald wirst du Jumils Erinnerungen deutlich sehen. Viele davon sind für die schwierigen Aufgaben, die vor uns liegen, von großer Bedeutung. Deshalb, mein Vertrauter, ruhe dich aus, stärke dich und bereite dich auf deine neue Rolle vor. Mache dich mit den Fortschritten vertraut, die Jumil bei den Nacht-Geschöpfen erreicht hat. Er sprach davon, die Fragmente des Zerbrochenen gegen diesen »Poeten« und seine Helfershelfer einzusetzen. Das wäre eine höchst befriedigende Art, die lang ersehnte Vergeltung zu üben …
    Xabo nickte, kroch von den blutigen Resten von Jumils Leichnam fort und lehnte sich an die Wand der Kammer, grübelnd, beobachtend und wartend.

1
    Wenn die düstere Hand des Todes
Schwer auf Herz und Seele lastet,
Sammle all deine Kraft
Und träume den Traum des Lebens.
    ÄBTISSIN HALIMER, MAHNUNGEN UND METAPHERN
    Über den
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