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03 Arthur und die Stadt ohne Namen

03 Arthur und die Stadt ohne Namen

Titel: 03 Arthur und die Stadt ohne Namen
Autoren: Ruebenstrunk Gerd
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Mund an. Ihr Blick ließ schwächeren Gemütern üblicherweise das Lachen auf den Lippen gefrieren, aber ich kannte sie nun schon lange genug, um mich davon nicht einschüchtern zu lassen.
    Einige Sekunden lang starrten wir uns an, ich grinsend, sie kauend und wütend. Dann lösten sich ihre Mundwinkel ebenfalls und sie schloss sich meinem Grinsen an. Das restliche Abendbrot verlief in entspannter Atmosphäre. Anschließend spielten wir noch eine Runde Desert Ghosts , und Larissa lieferte mir einen harten Kampf, den wir schließlich mit einem Unentschieden beendeten. Vom Bibliothekar sprachen wir den ganzen Abend nicht mehr.
     

Der Bibliothekar

     
    Ich weiß nicht, warum, aber ich hatte mir den Bibliothekar als hochgewachsenen Menschen mit gebeugten Schultern und langen schwarzen Haaren vorgestellt. Deshalb war ich ausgesprochen überrascht, als am Nachmittag des nächsten Tages ein gedrungener, nahezu kahlköpfiger Mann mit einer großen Reisetasche den Laden des Bücherwurms betrat. Der Alte hielt sich wie gewöhnlich im Hinterzimmer auf, wo er mit seinen antiquarischen Wälzern beschäftigt war, während Larissa und ich neu angekommene Bücher auspackten.
    »Guten Tag, Kinder«, grüßte der Neuankömmling. »Ihr müsst Arthur und Larissa sein.« Sein Deutsch klang beinahe akzentfrei. Lediglich die Art, wie er einzelne Worte betonte, wies darauf hin, dass es nicht seine Muttersprache war.
    »Das sind wir.« Larissas Antwort war kühl und knapp. Sie mochte es ebenso wenig wie ich, wenn man uns als Kinder betitelte. Schließlich waren wir beide sechzehn Jahre alt.
    Der Mann trat näher heran. Seine Augenbrauen waren schwarz und buschig und aus Nase und Ohren ragten Büschel von Haaren hervor. Tiefe Furchen durchzogen sein unnatürlich bleiches Gesicht. Lediglich seine Lippen standen in merkwürdigem Kontrast zu seiner restlichen Erscheinung. Sie waren voll und fast weiblich. Die herabgezogenen Mundwinkel verliehen ihm einen Ausdruck, als ob er auf die Welt um sich herum mit einer ständigen Verachtung herabblickte.
    »Dann wisst ihr sicher auch, wer ich bin«, sagte er. »Wir werden uns später noch näher unterhalten. Jetzt möchte ich gern zu Herrn Lackmann.«
    »Einen Moment«, erwiderte ich und verschwand im Hinterraum, um dem Bücherwurm Bescheid zu geben. Er folgte mir zurück in den Laden.
    Die beiden Männer schüttelten sich die Hände und begrüßten sich. »Können wir unter vier Augen miteinander sprechen?«, fragte der Bibliothekar.
    Larissas Großvater zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Arthur und Larissa sind über alles im Bilde, was die Vergessenen Bücher betrifft.«
    »Das mag sein«, erwiderte sein Gegenüber. »Dennoch möchte ich gern zuerst mit Ihnen reden.«
    »Wenn Sie das so wollen …« Der Bücherwurm machte eine einladende Handbewegung in Richtung Hinterzimmer.
    Der Bibliothekar hatte seine Reisetasche abgestellt. »Passt ihr bitte auf meine Tasche auf?«, fragte er, wartete aber die Antwort nicht ab, sondern folgte dem Alten und schloss die Tür hinter sich.
    Larissa und ich starrten uns an. So hatten wir uns die erste Begegnung mit dem Gast aus Prag nicht vorgestellt. Sie zuckte mit den Achseln, und ohne ein weiteres Wort setzten wir unsere unterbrochene Tätigkeit fort.
    Es dauerte bestimmt eine halbe Stunde, bis der Bücherwurm und sein Besucher wieder im Laden auftauchten.
    »Seid ihr so nett und begleitet unseren Gast nach Hause?«, fragte der Alte. »Er wird einige Tage bei uns wohnen. Zeigt ihm bitte das Gästezimmer und wo er alles findet.«
    »Wir sind noch nicht fertig mit dem Auspacken«, wandte ich ein. Ich hatte keine besondere Lust, den Diener für den Neuankömmling zu spielen.
    Der Bücherwurm bemerkte unseren Mangel an Begeisterung sofort. »Der Bibliothekar möchte sich gerne mit euch über die Ergebnisse eurer Nachforschungen unterhalten«, sagte er. »Und zu Hause gibt es dafür deutlich mehr Platz und Ruhe als hier.«
    Er hatte natürlich recht. Also schlüpften wir in unsere Jacken und machten uns mit unserem Besucher auf den Weg. Draußen wehte ein eisiger Wind. Ich hatte gehofft, der März würde endlich wieder ein paar wärmere Tage bringen, aber bislang entpuppte er sich als nahtlose Fortsetzung des Winters. Ich war froh, als wir das Haus des Bücherwurms erreichten.
    Ich zeigte unserem Gast sein Zimmer und führte ihn anschließend in die Küche, wo Larissa gerade heißes Wasser in die Teekanne goss. Ich stellte Tassen, Zucker und eine Schale mit Keksen
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