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0299 - Der Schatten kommt auf leisen Sohlen

0299 - Der Schatten kommt auf leisen Sohlen

Titel: 0299 - Der Schatten kommt auf leisen Sohlen
Autoren: Der Schatten kommt auf leisen Sohlen
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Kleidung?«
    »Alltäglich. Einen grauen oder blaugrauen Anzug, einreihig, weder besonders elegant noch besonders abgetragen. Völlig alltäglich.«
    Wir stellten noch ein paar Fragen nach Einzelheiten, aber es kam nichts mehr dabei heraus. Schließlich erfuhren wir noch, daß Vera Crotts genau über ihm wohnte. Wir bedankten uns und tigerten die letzte Treppe hinauf, weil der Lift irgendwo festhing und auf unser Signal nicht erschien.
    Als wir vor der Tür standen, hinter der Vera Crotts wohnen mußte, brummte Phil:
    »Sollen wir ihr sagen, was wir sind?« Ich zuckte die Achseln.
    »Das muß die Situation ergeben. Aber erwähne auf keinen Fall ihren Brief, den wir bei Delane gefunden haben. Das heben wir uns für später auf. Ich bin fast bereit zu wetten, daß es mit dem Brief etwas auf sich hat.«
    »Okay, wie du meinst. Dann mal rein in die Show.«
    Er drückte auf den Klingelknopf. Hinter der Tür wurde ein schrilles Rattern laut. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet, ohne daß wir zuvor Schritte gehört hatten. Der Grund: Vera Crotts lief zu Hause barfuß.
    Alles an der Frau war alltäglich und uninteressant bis auf die langen, goldblonden Haare, die ihr aufgelöst über die Schultern wallten.
    Dem verlebten Gesicht nach mochte sie zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt sein. Sie trug einen verblichenen, ehemals brandroten Morgenrock, der so weit war, daß sie zweimal hineingepaßt hätte.
    Sie sah uns aus blaugrauen Augen mißtrauisch an, während sie mit dem linken Fuß ein Stück Teppich zurechtschob, das sich beim Öffnen der Tür verschoben hatte.
    »Kennen wir uns?« fragte sie.
    Ihre Stimme war voll und angenehm.
    Wenn sich Vera Crotts abends für die Bühne raffiniert zu schminken verstand, mochte sie mit ihrer Haarpracht und der sympathischen Stimme noch eine attraktive Erscheinung sein.
    »Nein, wir kennen uns nicht. Wir haben eine Botschaft zu überbringen«, erwiderte Phil halblaut.
    »Von wem?« fragte Vera.
    »Von Martin.«
    Vera Crotts besah uns noch einmal. Dann stieß sie plötzlich die Tür auf und machte eine einladende Handbewegung. Wir gingen hinein. Die Tür führte in ein geräumiges Wohnzimmer mit einem imitierten Kamin. Das Mobiliar war nicht mehr ganz modern, aber wenigstens ansprechend zusammengestellt.
    »Setzt euch«, sagte Vera. »Ich war gerade dabei, mich anzuziehen. Habt ihr ein paar Minuten Zeit?«
    »Für eine Dame immer«, erwiderte Phil galant.
    Vera stutzte. Sie schüttelte den Kopf und gurrte lachend:
    »So was kriege ich nicht allzu oft zu hören. Ihr seid wohl zwei ganz durchtriebene Halunken. Ihr könntet mir noch gefallen.«
    Sie verschwand durch eine zweite Tür, die sie hinter sich schloß. Sofort machten wir uns auf einen Rundgang durch das Zimmer. Phil nahm sich die hintere und Ich mir die vordere Hälfte vor. Es standen ein paar gerahmte Fotografien herum, aber es war weder eine von Martin Delane dabei noch die eines anderen Mannes. Auch sonst gab es nichts, was uns hätte interessieren können.
    Vera brauchte ungefähr fünf Minuten, bis sie in einem schlichten, grauen Kostüm und schwarzen, sehr hochhackigen Schuhen wieder erschien. Hatte sie eben noch wie eine etwas verschlampte Hausfrau gewirkt, so erschien sie auf einmal als zwar nicht mehr ganz junge, aber durchaus respektable Dame.
    »Martins Freunde sind auch meine Freunde«, erklärte sie. »Außerdem muß ich euch wohl für das Warten entschädigen. Wie wär's mit einem Scotch?«
    »Auf Eis ohne Soda, bitte«, erklärte ich.
    Sie ging durch eine dritte Tür, die sie offen ließ. Wir erkannten die elfenbeinfarbenen Möbel einer modernen Kücheneinrichtung. Eiswürfel klapperten, gleich darauf kam die Frau mit einem Tablett zurück, auf dem drei hohe Gläser standen, die vor Kälte schon beschlagen waren.
    Wir nahmen die Gläser, nickten Vera Crotts zu und nippten. Es war wirklich echter Scotch.
    »Also dann heraus mit der Botschaft«, sagte Vera. »Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß Martin selber kommen würde. Warum tut er es nicht?«
    Phil und ich, wir blickten uns kurz an.
    Ich stellte das Glas auf einen Tisch, drehte mich abrupt um und sagte hart: »Martin Delane ist tot.«
    Vera Crotts runzelte die Stirn. Sie sah von mir zu Phil und von ihm wieder zurück zu mir. Ganz langsam stieg panischer Schreck in ihr auf. Man sah es deutlich an ihrem Gesicht, das allmählich zu einer Fratze wurde. Ganz zum Schluß erst öffnete sie den Mund. Aber nur ein gequälter, unartikulierter Laut kam über die
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