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0290 - Die dritte Mahnung war aus Blei

0290 - Die dritte Mahnung war aus Blei

Titel: 0290 - Die dritte Mahnung war aus Blei
Autoren: Die dritte Mahnung war aus Blei
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Widerspruch gelten ließ. Die Tür schnappte zu und schnitt jedes weitere Wort des Geistlichen ab.
    Der Mann murmelte etwas vor sich hin, was ich nicht verstehen konnte. Ohne mir einen Blick zu schenken, verschwand er wieder in seinem Abteil und ließ nur den Duft einer widerlich parfümierten Zigarette im Gang zurück.
    Ich warf einen verstohlenen Blick auf den Geistlichen. Er hatte sich wieder gesetzt. Kopfschüttelnd nahm er das kleine Büchlein auf und begann darin zu lesen.
    Ich wechselte meinen Standort. Ich hatte langsam die Nase voll, die dreckigen Chrom- und Messingteile zu putzen. Vor einem leeren Abteil, wo mich niemand sehen konnte, ohne auf den Gang zu treten, klappte ich einen der Notsitze herunter und setzte mich. Den Eimer hatte ich griffbereit neben mir stehen, und ich war bereit, sofort auf den Beinen zu sein, falls jemand kommen würde.
    Ich wurde sanft gegen die Wand gepresst. Der Zug glitt in eine große Kurve. Ich wusste, dass das kurz vor der Bowery-Station sein musste. Ich war versucht, mir die Zigarette, die mir noch immer kalt im Mundwinkel klebte, anzustecken. Aber ich ließ es, denn ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass für die Bahnleute während des Dienstes ein Rauchverbot besteht, und ich wollte nicht durch eine solche Kleinigkeit auffallen.
    Als der Zug in die Station einlief, stand ich wieder auf, denn ich musste damit rechnen, dass Leute ein- oder ausstiegen. Ich ließ einen Teil des Putzzeugs auf dem schmalen Bord liegen, unter dem die Heizung befestigt war, schnappte meinen Eimer und latschte den Gang hinunter.
    Der Geistliche saß noch immer auf seinem Platz Und las in dem Buch. Er sah kurz auf, als ich vorbeikam, und klappte es dann zu.
    Der Mann, der wohl die Streichhölzer, nicht aber die erbauende Lektüre des Geistlichen angenommen hatte, drückte gerade den Rest seiner Zigarette in dem Aschenbecher aus. Sein Gesicht hatte er wieder in der Zeitung vergraben, die er in dem Moment nur mit einer Hand hielt.
    In dem Abteil, das die Familie eingenommen hatte, herrschte alles andere als Stille. Ein Glück, dass die Tür nur einen ganz geringen Teil des Lärms nach draußen dringen ließ. Ungestört durch den Lärm unterhielten sich die. Mutter und der Vater der hoffnungsvollen Sprösslinge in aller Seelenruhe, während die Kinder herumtobten.
    Ich war schon fast am anderen Ende des Wagens, als ich das Öffnen einer Abteiltür hörte. Der Geistliche mit seinem Reisekoffer in der Hand trat auf den Gang und ging zur Wagentür. Er stieg aus, sobald der Zug hielt und schritt wie in Gedanken über den Bahnsteig.
    ***
    Ich kehrte um. Ich hatte nirgendwo bis jetzt etwas Verdächtiges feststellen können. Bloß der Reisende, der sich dauernd hinter seiner Zeitung verkroch und der sich bei dem Geistlichen Feuer für seine Zigarette geholt hatte, hatte einen leichten Verdacht in mir geweckt. Er bestand aber rein gefühlsmäßig, und ich konnte ihn eigentlich nicht begründen.
    Mit dem gelben Eimer in der Hand ging ich weiter. Rein routinemäßig warf ich in jedes Abteil einen kurzen Blick. Und dann erstarrte ich plötzlich.
    Im dem Abteil, in dem Margret Martin gesessen und im Gepäcknetz die karierte Reisetasche zurückgelassen hatte, stand die Tür offen. Der Geistliche hatte sie beim Verlassen nicht hinter sich geschlossen.
    Aber nicht das war es, was mich stutzig machte, sondern die Tatsache, dass das Gepäcknetz leer war.
    Ich glaubte zuerst, mich im Abteil geirrt zu haben, stellte dann aber schnell fest, dass es wirklich so war. Die karierte Reisetasche war nicht mehr an ihrem Platz!
    Ich riss das Fenster auf und schaute hinaus. Der Geistliche ging jetzt ungefähr am Ende des Wagens über den Bahnsteig. Die Reisetasche hatte er nicht in seiner Hand, nur einen Koffer.
    Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die karierte Reisetasche mit dem Geld musste in dem Koffer des Mannes sein, der, in seiner Soutane getarnt, langsam zum Ausgang ging.
    Ich hastete zur Wagentür. Sie schloss sich vor meiner Nase. Ich versuchte, meinen Fuß zwischen die beiden Flügel zu klemmen, aber es gelang mir nicht mehr.
    Mein Blick fiel auf einen der beiden Hebel, die genau über der Tür an der Decke saßen. Ich nahm mir nicht die Zeit, den Spruch zu lesen, der mit roten Buchstaben neben den Hebeln stand. Der Zug setzte sich schon in Bewegung. Auf gut Glück versuchte ich einen der Hebel. Er bewegte sich, und Druckluft entwich irgendwo ganz in der Nähe. Ich packte die Tür am Griff. Schwer ließ sie
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