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0267 - Dämon der sieben Meere

0267 - Dämon der sieben Meere

Titel: 0267 - Dämon der sieben Meere
Autoren: Werner Kurt Giesa
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fliegenden Holländer einmal unter die Lupe.«
    ***
    Yole Ngatta glitt bis dicht an die Wand heran. Schweigend faßte er die Eisenkette mit beiden Händen und stemmte die Füße gegen die Wand, ähnlich wie zuvor der Chinese und doch etwas anders. »Hilf mir, Wan«, murmelte er. »Faß ein wenig mit zu.«
    »Auch zu zweit schafft ihr es nicht«, krächzte der Ausgemergelte heiser von der anderen Seite her.
    Warren Winslow preßte die Lippen zusammen. Er rechnete längst. Sie waren vier Gefangene. Das heißt, daß er mit sehr viel Glück noch vier Tage zu leben hatte - wenn er als letzter geholt wurde. Mit noch mehr Glück länger, wenn es zwischendurch einen weiteren Überfall gab und neue Gefangene angekettet wurden. Wenn er Pech hatte, holten sie ihn schon morgen.
    Noch vierundzwanzig Stunden blieben ihm garantiert. Aber was sollte er damit anfangen, wenn er nicht von seiner Kette loskam?
    Er beobachtete den hünenhaften Neger, dessen Körper zu einem einzigen gespannten Muskelbündel wurde. Ngatta keuchte nicht einmal. Er stemmte sich gegen das Material und zerrte am Eisen. Der Chinese half ihm, richtete aber am wenigsten aus, weil er einen schlechten Haltepunkt hatte.
    Winslow begann zu fiebern. Ngatta ließ nicht nach. Sah er eine Chance?
    Die Augen des Schwarzen traten aus den Höhlen hervor. Sein Mund öffnete sich. Er zitterte plötzlich. Winslow versuchte im Dämmerlicht zu erkennen, ob sich die Kette von der Wand löste, erkannte aber nichts.
    Aber dann fiel Ngatta zurück, schlug lang auf die hölzernen Planken. Ein lautloses Lachen schüttelte ihn. Chi Wan starrte ihn fassungslos an.
    »Nein«, keuchte Ngatta. »So geht es wirklich nicht… aber vielleicht anders…«
    »Wie?« schrie Winslow.
    Ngatta richtete sich wieder auf. Er atmete leicht, als habe ihn der Versuch nicht im mindesten angestrengt. Dennoch rann Schweiß über seinen dunkel glänzenden Körper. Winslow fragte sich, woher der riesige Neger diese Kraft nahm. An Bord er LUCKY MARY hatte er sie niemals in diesem Maße ausgespielt.
    Jäh flog Ngattas Faust heran und traf den Chinesen. Der brach wie vom Blitz gefällt zusammen.
    »He!« schrie Winslow auf. »Was…«
    Ngatta griff nach dem Kopf des Kochs und nahm den Zopf in die rechte Hand. »Dürfte reichen«, murmelte er. »Gerade lang genug…« Dann spannte er erneut die Muskeln an. Und mit einem jähen Ruck - riß er dem Chinesen den Zopf aus!
    Chi Wan erwachte mit einem Schrei aus seiner Bewußtlosigkeit. Seine Hände fuhren zum Hinterkopf. Er schrie, sah seinen ganzen Stolz in den Händen des Negers, und die Schande und der furchtbare Schmerz brachten ihn fast um den Verstand. Er warf sich auf Ngatta. Dessen andere Hand wischte ihn einfach beiseite. Zum zweiten Mal stürzte der Chinese.
    »Tut mir leid, Partner«, sagte Ngatta grollend. »Ich brauche Menschenhaar. Nur deines ist lang genug. Hör auf zu keifen, es wächst wieder nach!«
    »Du Hund!« schrie Chi Wan. »Ich bringe dich um! Ich schneide dich in kleine Streifen! Mir den Zopf zu nehmen!«
    Winslow schüttelte den Kopf. »Du bist verrückt, Yole«, behauptete er. »Weißt du nicht, was du Wan angetan hast? Was es für einen Chinesen bedeutet, den Zopf zu verlieren?«
    »Wollt ihr lieber alle umgebracht werden?« knurrte Ngatta. Er bückte sich und wickelte den Zopf, den er auseinandergezurrt hatte, um eines der Kettenglieder. »Und jetzt seid ruhig, verdammt. Alle! Sofort!«
    Chi Wan keuchte. Winslow sah, daß der Chinese auf eine Chance lauerte. Sobald der Neger ihm den Rücken zudrehte, würde er über ihn herfallen. Lang genug waren die verdammten Ketten leider.
    »Wan, hör auf«, flüsterte Winslow beschwörend. »Er hat etwas vor.«
    »Er hat mich in Schande gestoßen«, keuchte Chi Wan. »Ich muß ihn töten. Ich muß ihn töten, ich muß!«
    Von irgendwoher ertönte ein entsetzlicher Schrei, der nur langsam verzitterte. Die Männer zuckten zusammen.
    »Er ist tot«, krächzte der Abgemagerte. »Jetzt haben sie ihn umgebracht.«
    Ngatta zuckte die massigen Schultern und beugte sich über die Kette. Seine langen Finger beschrieben blitzschnelle zuckende Bewegungen. Seine Lippen formten lautlose Worte. Winslow begriff, daß hier etwas vorging, das über seinen Verstand ging.
    Was tat Ngatta?
    Der Anblick fesselte ihn. Er erinnerte Winslow an einen Zauberer. In Afrika sollte es ja noch Zauberer geben. War Ngatta einer von ihnen? Winslow erinnerte sich, daß in Kenia selbst mit behördlichem Segen Zauberei praktiziert
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