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0264 - Nachts, wenn der Wahnsinn kommt

0264 - Nachts, wenn der Wahnsinn kommt

Titel: 0264 - Nachts, wenn der Wahnsinn kommt
Autoren: Jason Dark
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begannen zwei Mädchen zu kichern, bis Carla zischte: »Hört auf, ihr dummen Gänse!«
    Da verstummten sie.
    »Vielleicht kommt sie noch«, wurde gesagt.
    »Es kann ihr auch schlecht geworden sein.«
    »Sicher, das wird es sein.«
    Die Gesichter der Mädchen entspannten sich nach diesen Vermutungen wieder. Sie kamen auch nicht mehr dazu, noch großartig zu diskutieren, denn die rechte Hälfte der großen Schwingtür wurde aufgestoßen, und Elena Propow betrat den Ballettsaal.
    Augenblicklich standen die Mädchen still. Diese Frau hatte es tatsächlich geschafft, eine Disziplin in die Reihen der Schülerinnen zu bringen, wie sie beim Militär üblich war. Jede wußte genau, wie sie zu stehen hatte, und sie bauten sich in einer Doppelreihe auf, ausgerichtet dabei nach den Fußspitzen der Nachbarin.
    Für einen Moment blieb die Propow an der Tür stehen. Sie fühlte die Blicke der Mädchen auf sich gerichtet, und in ihrem Gesicht regte sich kein Muskel. So etwas war sie gewohnt, das nahm sie kalt und ziemlich gelassen hin.
    Die Propow war nicht nur streng, sie dokumentierte dies auch anhand ihrer Kleidung. Das Kostüm, das sie trug, zeigte einen klassischen Schnitt. Der Stoff schimmerte braungrau. Sie trug dicke Seidenstrümpfe und klobige Schuhe. Die Bluse, die im Ausschnitt der Kostümjacke weiß leuchtete, war frisch gestärkt. Das dunkle Haar hatte die Propow glatt nach hinten gekämmt, im Nacken bildete es einen Knoten.
    Die Propow hatte ein knochiges Gesicht. Obwohl sie mit den Mädchen nicht tanzte — sie überließ dies den Lehrkräften wirkte sie noch immer ausgezehrt. Man sagte ihr nach, daß sie des Nachts heimlich trainierte und den Ballettsaal dann zu einer Bühne machte, wobei sie sich das Publikum denken mußte.
    Die Musterung war kurz, doch sehr intensiv. Anschließend nickte die Frau und kam langsam näher. Vor den aufgestellten Schülerinnen blieb sie stehen.
    Jede einzelne hatte das Gefühl, als würde die Propow nur sie allein an schauen. Ihr stechender Blick war gefürchtet.
    »Bon giorno!« sagte sie knapp.
    »Guten Morgen!« wurde ihr im Chor geantwortet.
    »Es hat einen Grund, daß ich euch vor dem Frühstück zusammengetrommelt habe. Es ist nämlich etwas passiert.« Nach dieser Einführung legte sie eine kurze Sprechpause ein und sah die Spannung in den Gesichtern der Mädchen anwachsen.
    »Was denn?« rief jemand.
    »Dazu werde ich jetzt kommen. Ihr habt vielleicht gesehen, daß jemand von euch fehlt. Eure Mitschülerin Franca Mundi. Sie ist in der Tat nicht mehr da. Franca hat die Schule am späten Abend verlassen. Sie ist von ihren Eltern abgeholt worden. Dies ist der Grund, weshalb ich euch zusammengerufen habe.«
    Die Mädchen schwiegen. Zuerst schauten sie noch zu Boden, dann hoben sie langsam ihre Köpfe und warfen sich gegenseitig fragende Blicke zu. Die Worte lagen ihnen auf der Zunge. Es war jedoch niemand da, der die Fragen zu stellen wagte.
    Nur eine ließ sich nicht einschüchtern. Carla Bergamo. Sie drehte sich hastig um und ging einen Schritt vor. Mit lauter Stimme sagte sie: »Ich kann nicht glauben, daß Franca die Schule so Hals über Kopf verlassen hat. Tut mir leid.«
    Elena Propow kniff nur leicht die Augenbrauen zusammen. Das war ihre einzige Reaktion, bevor sie fragte: »Willst du mich als eine Lügnerin bezeichnen?«
    »Davon habe ich nichts gesagt, nur etwas festgestellt.«
    »Es kommt auf dasselbe raus. Wenn ich sage, daß Franca unsere Schule verlassen hat, dann stimmt das. Klar?«
    Die meisten nickten, nur Carla schüttelte den Kopf. »Ich glaube Ihnen nicht, Signora. Auf keinen Fall.«
    »Hüte deine Zunge, Mädchen.«
    »Wenn Franca die Schule hätte verlassen wollen, dann hätte sie mir etwas davon gesagt.«
    »Man trifft hin und wieder Entscheidungen, die sehr plötzlich kommen«, hielt ihr die Propow entgegen.
    Das forderte Widerspruch bei Carla heraus. Sie war eben eine Tochter des Luigi Bergamo, der ebenfalls ziemlich heftig reagieren konnte. »So plötzlich kann keine Entscheidung kommen«, sagte Carla wütend.
    »Daran glaube ich nicht.«
    »Woran denn?«
    Sie lächelte kalt, bevor sie die nächste Antwort gab. »Kann ich dir genau sagen…«
    Jetzt lief die Propow rot an. »Wie redest du denn mit mir? Du wagst es, mich zu duzen?«
    Carla merkte, daß sie den Bogen ein wenig überspannt hatte.
    »Entschuldigen Sie, Signora, aber ich habe mich leider für einen Moment gehenlassen. Trotzdem bleibe ich bei der Behauptung, daß Franca nicht grundlos
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