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0263 - Wenn die Totengeister schreien

0263 - Wenn die Totengeister schreien

Titel: 0263 - Wenn die Totengeister schreien
Autoren: Werner Kurt Giesa
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abzugewöhnen, bloß klappte das nie. Mabel hatte einen eisernen Willen.
    »Der Betreffende ließ sich nicht belehren, daß seine Schreie in Zukunft zu unterbleiben haben, Sir«, berichtete Pickford, »weil er sich bereits zurückgezogen hatte. Sir - ich fürchte, daß eine dunkle Zeit hereinbricht. Die Toten schreien wieder.«
    ***
    Eine halbe Stunde später saß Sir Glenn der jungen Bibliothekarin in deren Wohnzimmer gegenüber. Aufmerksam musterte sie ihn. Er sah ernster aus als sonst.
    »Miss Carmen, ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen, und wenn Sie danach Ihr Arbeitsverhältnis als beendet betrachten, kann ich Ihnen keinen Vorwurf machen. Ihr Gehalt für die Gesamtzeit des Vertrages werden Sie dennoch von mir bekommen.«
    Sie fuhr sich überrascht durch das lange schwarze Haar. »Sie machen’s ja ganz schön spannend, Sir.«
    »Warten Sie noch«, sagte er. Vorsichtig schlug er die Beine übereinander und sah das Mädchen an. »Vor sechsundzwanzig Jahren wurde der Zugang der Familiengruft von innen geöffnet, obgleich er dort kein Schloß besitzt. Die Sarkophage waren offen, und die Leichen verschwunden. Ein weiteres Phänomen, da die Särge so verschlossen waren, daß sie nur mit Spezialwerkzeug hätten geöffnet werden können.«
    Carmen Visher beugte sich vor. »Sir Glenn, wollen Sie mir eine Schauergeschichte auftischen? Vielleicht ist ein Leichenschänder von draußen eingebrochen und…«
    Der Earl schüttelte den Kopf. »Miss Carmen, Sie befinden sich erst seit zwei Wochen hier und haben die Gruft wohl noch nicht besucht. Ich sagte, sie wurde von innen geöffnet, nicht von außen. In den darauffolgenden Nächten ertönten grauenhafte Schreie. Es waren die Toten, die zu nächtlicher Stunde durch Ralbury Castle wandelten und die Schreie ausstießen. Nach dem siebten Schrei starb mein Vater. Kein Arzt konnte seine Todesursache erkennen. Nach dem zweimal siebten Schrei starb meine Mutter. Nach dem einundzwanzigsten ein weiterer Verwandter. Dabei ertönten die Schreie unregelmäßig. Es konnte geschehen, daß in einer Nacht nur ein einziges Mal geschrien wurde, in der nächsten dafür zehn-oder fünfzehnmal. Nach dem dritten Todesfall ließen wir einen Teufelsaustreiber kommen. Aber über zehn Menschen meiner Familie starben, ehe er den Fluch brechen konnte. Bis heute wissen wir nicht, wer oder was wirklich dahintersteckte, aber danach war Ruhe. Kein Toter schrie mehr, niemand starb mehr. Im Gegenteil erfreuten wir Kylls uns danach bester Gesundheit, und meine Großmutter, die inzwischen 107 Jahre zählt, denkt noch nicht im Traum daran, zu sterben.«
    »Also doch eine Schauergeschichte«, sagte Carmen kopfschüttelnd. »Was wollen Sie mit diesem Märchen bezwecken? Ich glaube eher, daß sich einer Ihrer Söhne einen bösen Scherz erlaubte und mir einen Schrecken einjagen wollte. Das ist ihm auch gelungen.«
    Sir Glenn hob die Hand.
    »Keine Schauergeschichte, Miss Carmen. Auch wenn Ralbury Castle sich in Schottland befindet, hatten wir niemals Gespenster. Die einzige Ausnahme waren die schreienden Toten, die aus uns bis heute nicht bekannten Gründen unsere Familie ausrotten wollten, aber seit damals haben wir Ruhe. Anscheinend geht es jetzt wieder los. Und ich möchte nicht unbedingt, daß Sie in diese Geschichte hineingezogen werden. Wenn Sie es wünschen, beenden wir den Kontakt und…«
    Carmen stand auf. Ihr enger Pullover spannte sich über ihren festen Brüsten. »Sir Glenn«, sagte sie frostig, »wenn Ihre liebe Frau Gemahlin der Ansicht ist, daß ich zu verschwinden habe, dann können Sie es mir ruhig deutlich sagen. Dann gehe ich, nicht aber eines Schauermärchens wegen! Wenn ich mich gruseln will, gehe ich ins Kino! Und außerdem… ist die Geisterstunde nicht immer von Mitternacht bis eins? Dieser freundliche Totenkopf schrie aber noch vor elf!«
    Sir Glenn erhob sich ebenfalls.
    »Bitte, Miss Carmen«, sagte er. »Denken Sie über meine Worte nach. Ihr Verdacht ist unsinnig. Wir brauchen Sie, um die Bibliothek auf Vordermann zu bringen, und ich sehe Sie ungern fortgehen. Ich bin nur um Ihr Wohlergehen besorgt. Damals waren nur Kylls in Ralbury Castle, und deshalb weiß ich nicht, ob der zurückgekehrte Fluch sich nicht auf Außenstehende erstreckt, die sich zufällig innerhalb der Burgmauern aufhalten.«
    Sie blieb dicht vor ihm stehen.
    »Machen wir es ganz einfach, Sir«, verlangte sie. »Bin ich ’rausgeschmissen oder nicht?«
    »Miss Carmen, Ihr Arbeitsvertrag ist von meiner Seite
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