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0263 - Wenn die Totengeister schreien

0263 - Wenn die Totengeister schreien

Titel: 0263 - Wenn die Totengeister schreien
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Abend versprach trotz allem noch spannend zu werden. Nicole konnte eine Tigerin sein, wenn man sie herausforderte…
    Und genau das war seine Absicht. Er liebte Raubkatzen.
    ***
    Thomas Kyll, ältester Sohn Sir Glenns und nach dessen Ableben 19. in der Erbfolge derer von Ralbury, verwahrte sich entschieden gegen den Vorwurf, mit einem technischen Trick den schreienden Schädel auf Carmens Kaminsims gebracht zu haben.
    »Carmen, damit treiben wir Kylls keine Scherze! Nicht mit Schädeln, die schreien, weil gerade die vor sechsundzwanzig Jahren unsere Familie fast ausgelöscht haben… Hat Ihnen mein Vater nicht schon davon erzählt?«
    »Er hat«, sagte Carmen angriffslustig. »Aber Sie verlangen doch wohl nicht, daß ich diesen Nonsens glaube?«
    »Ach, glauben Sie doch, was Sie wollen«, knurrte Thomas Kyll, »aber verdächtigen Sie nicht andere Leute! Verdammt, es ist schon schlimm genug, daß das Ding aufgetaucht ist. Da müssen Sie nicht auch noch dazwischenfunken!«
    Er war wirklich zornig, als er sich abwandte und davonhastete. Carmen sah ihm nach. Sie begriff, daß es ihm mit seinen Worten ernst war. Er glaubte an diesen Schädel-Spuk! Nun, als echte Engländerin wußte Carmen, daß jeder Schotte eine Macke hatte. Nur die Engländer waren in dieser Hinsicht völlig normal. Daß die Schotten ihrerseits die gleiche Meinung von den Engländern und beide zusammen von den Iren und Walisern hatten, änderte nichts an der absoluten und unbeugsamen Wahrheit.
    Thomas schien also auszuscheiden. Und dennoch wohl auch seine beiden jüngeren Brüder. Dabei war ihr Verdacht zuerst auf Thomas gefallen. Der hatte sich ihr gleich in den ersten Tagen ihres Hierseins zu nähern versucht, aber sie hatte ihn kalt ablaufen lassen. Sicher, ihr Aussehen und die Art, in der sie sich kleidete, forderte die Männer heraus, aber sie sah nicht ein, daß sie sich deswegen als graue Maus verkleiden sollte. Es machte ihr Spaß, aufregend zu sein, und sie kostete es aus. Jung und schön war sie nur einmal im Leben.
    Und wenn davon ein Junge wie Pete MacCloud kam, machte das das Leben nur noch schöner.
    Ein Mann wie Thomas Kyll konnte sie dagegen weniger reizen. Der war zwar stinkreich, und es gab Mädchen, die sich ihm an den Hals warfen, weil sie sich eine gesicherte Existenz versprachen. Aber ihr war er einfach zu arrogant und hochnäsig. Deshalb hatte sie ihn abblitzen lassen und erst geglaubt, der Schädel sei seine Revance. Aber dem war wohl nicht so.
    Ich werde mit Pete darüber sprechen, beschloß sie. Pete gehört hier in diese Gegend und er wird wissen, ob die Geschichte mit den schreienden Toten stimmt oder ob mir die Kylls hier einen riesigen Bären aufbinden wollen…
    In Ralbury Castle hatte sie keine geregelte Arbeitszeit. Das war es, was sie an ihrer im wahrsten Sinne des Wortes staubtrockenen Arbeit schätzte. Sie konnte sich die Zeit einteilen, wie sie wollte, und niemand hinderte sie daran, auch mal einen halben oder ganzen Tag einfach zu verbummeln. Daß sie die verlorene Zeit dann mit größerem Einsatz wieder aufholte, lag schon allein in ihrem eigenen Interesse, weil sie diesen Job nicht verlieren wollte. Denn der Earl zahlte verdammt gut. Der mußte einen Goldesel im Stall stehen haben. Daß der englische Adel verarmte, war hier nicht festzustellen.
    Carmen Visher verließ das Haus, setzte sich in ihren Morris Mini und düste los. Bis zum Dorf Ralbury hatte sie es nicht weit. Dann stand sie vor dem Haus, in dem Pete wohnte.
    Ihr Herz klopfte ein wenig, als sie ausstieg und auf die Haustür zuging. Pete mußte zuhause sein. Er war arbeitslos. Ungerechtigkeit der Welt, dachte sie erbittert, ein Prachtkerl wie Pete muß jeden Penny zwölf mal umdrehen, ehe er ihn ausgeben kann, und ein arroganter Schnösel wie Thomas Kyll schwimmt im Geld.
    Die Haustür besaß keine Klingel. Hier wurde noch nach alter Väter Sitte angeklopft. Carmen tat es.
    Eine ältere Frau in einfacher Kleidung öffnete, offenbar Petes Mutter. »Bitte…«
    »Ich bin Carmen Visher. Ist Pete da?«
    »Kommen Sie herein.« Die Frau ging voraus und versäumte nicht, auf die Regierung, die Verschuldung und das Fernsehprogramm zu schimpfen. Pete sprang auf. »Carmen! Was machst du hier?« stieß er hervor, zog das Mädchen an sich und küßte es.
    »Ich wollte dein unverschämtes Strolch-Grinsen Wiedersehen«, sagte sie, »und mich mit dir unterhalten.«
    »Mußt du keine Bücherläuse sortieren?« fragte er lächelnd. Mit einem Seitenblick zu seiner Mutter:
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