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0262 - Non-Stop in die Ewigkeit

0262 - Non-Stop in die Ewigkeit

Titel: 0262 - Non-Stop in die Ewigkeit
Autoren: Non-Stop in die Ewigkeit
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für mich interessierten. Dreimal war ich von Bänken gescheucht worden, auf denen ich die Nacht verbringen wollte. Einmal hatte mich ein Cop, der breit wie ein Kleiderschrank war, auf sein Revier geschleift, und sie ließen mich erst laufen, nachdem sie mich einem Mann gegenübergestellt hatten, der von zwei Tramps bestohlen worden war.
    Ich hielt mich meistens in der Bowery auf. Der sommersprossige Red hatte mir den Weg in den Keller einer Schrottgroßhandlung gezeigt. Die Heizung dort unten gab Wärme genug. Man musste nur sehen, dass man wach wurde, bevor in der Morgendämmerung der erste Arbeiter kam.
    Ich stand mit den anderen in der Schlange vor der Küche der Heilsarmee und ließ mir einen Schlag Suppe geben. Ich trieb mich mit ihnen am Hafen herum und wartete darauf, dass die Matrosen der ausländischen Schiffe uns Zigaretten und vielleicht ein paar Münzen zuwarfen, denn das taten sie manchmal.
    Ich stahl mit einem Tramp, der Blasser Louis genannt wurde, Äpfel von einem Obstkarren. In einer Nacht schlug ich mich mit einem betrunkenen Seemann herum, dem andere Tramps die Heuer geklaut hatten und der nun seinen Zorn an mir auszulassen versuchte.
    Obwohl wir uns tagsüber trennten, so traf ich den sommersprossigen Red doch fast jede Nacht im Heizungskeller.
    Es gibt keine Freundschaften unter den Tramps, aber manchmal ziehen zwei oder mehr Vagabunden für eine gewisse Zeit gemeinsam herum. Die Bekanntschaft mit mir war für Red von einem gewissen Wert, denn ich besaß fast immer einen Schluck Brandy. Ich musste jeden Tag eine neue Geschichte erfinden, wie ich an das Geld für den Alkohol gekommen war, denn niemand durfte ahnen, dass ich ein paar Dollar im Schuh besaß.
    Für einen Tramp ist ein gewärmter Keller, in dem man schlafen kann, ein kostbares Geheimnis, das er vor seinen Kumpanen hütet, das er höchstens gegen Geld oder Brandy verriet. Infolgedessen waren es nur sechs Vagabunden, die jede Nacht in dem Keller unterkrochen. Red und der Blasse Louis waren zwei davon. Dann gab es noch Charlie, ein Kerl, der wie eine Spitzmaus aussah; einen vierschrötigen Mann, der Seemann genannt wurde; schließlich Hank, den Hundefänger, und Bud, der für einen Tramp ungewöhnlich fett war.
    Mich akzeptierten die Landstreicher als einen der ihren.
    Aber sie schwiegen über den Boss. Nicht etwa, dass sie ihn nicht erwähnt hätten. Es konnte durchaus Vorkommen, dass der dicke Bud oder Hank, der Hundefänger, plötzlich sagte: »Vom Boss hat man lange nichts mehr gehört.«
    Dann nickten die anderen, schwiegen, und das Thema war erledigt. Wenn ich mehr herauszubekommen versuchte, sahen sie mich erstaunt an, zuckten die Schultern und gaben keine Antwort.
    Einmal benutzte ich eine Gelegenheit, die mir günstig erschien, und fragte den Blassen Louis glatt heraus, wer dieser Boss wäre, von dem sie immer sprächen.
    »Das weiß doch jeder«, knurrte Louis.
    »Mann, ich komme aus Connecticut. Ich kenne euren Boss nicht.«
    »Freue dich, wenn du ihn nicht kennenlernst«, antwortete Louis einsilbig.
    »Ich hörte, er hat irgendetwas mit Southern-Lew gemacht«, beharrte ich. »Was?«
    »Was schon«, brummte der Tramp. Er machte eine Handbewegung, die absolut eindeutig war.
    Ich hielt es für möglich, dass Southern-Lew mit jenem Tramp Lewis Dinkins identisch war, der als erster dem Messermörder zum Opfer gefallen war, aber ich hütete mich, zu fragen.
    Allmählich erwachte in mir das Gefühl, mit meiner Trampmaskerade am falschen Ende des Hebels zu sitzen. Vor vierundzwanzig Stunden hatte ich mit Phil telefoniert. Er hatte mich über Ethel Sherwoods Testament unterrichtet. Ich war daraufhin in der Selbridge Street gewesen und hatte mir jenes Asyl der Untersten angesehen. Es war ein graues, unauffälliges Haus in einer Reihe ebenso unscheinbarer Häuser. Es war dreistöckig und mit einer sauber verputzten Fassade, die offenbar erst in der letzten Zeit neu gestrichen worden war. Von meinen Tramp-Kumpanen hatte bisher keiner von dem Laden gesprochen, aber das war nicht erstaunlich, denn die Landstreicher hassen es, in den Obdachlosenasylen zu übernachten und sich der dort herrschenden strengen Zucht zu unterwerfen. Nur die Alten, die im Kampf um die guten Schlafstellen in den Höhlen und Kellern der Großstadt nicht mehr mithalten können, bevölkern die Asyle.
    In der Nacht nach dem Telefongespräch mit Phil geschah es, dass, als wir uns schon längs des Heizkessels der Schrotthandlung ausgestreckt hatten, plötzlich die
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