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0262 - Leonardos Knochenhorde

0262 - Leonardos Knochenhorde

Titel: 0262 - Leonardos Knochenhorde
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Biologen brüteten sich die Köpfe heiß. Der Zigarettenkonsum stieg ins Unfaßbare.
    Doktor Sonneur, sechsundvierzigjähriger Teamchef, kam immer wieder ins Rotieren. In dem Blut des Mädchens befand sich ein Stoff, der sich nicht analysieren ließ! Er war zwar zu erkennen und auch mit der Zentrifuge vom Blutplasma zu trennen, aber wie dieser Stoff sich zusammensetzte, war nicht zu klären.
    Sonneur starrte das gewaltige Zahlen- und Formelwerk an, das vor ihm auf dem Arbeitstisch lag. Er rannte bei jedem neuen Versuch in eine Sackgasse. Das Phänomen ließ ihm keine Ruhe. War er zuerst widerwillig an diese Arbeit gegangen, sô hatte es ihn jetzt gepackt. Es durfte einfach keinen Stoff geben, der sich menschlichem Forschungsdrang widersetzte! Sonneur entwickelte Ehrgeiz. Zudem ging es um das Leben eines Menschen.
    So wie ihn, packte es auch seine Mitarbeiter. An Überstunden und Feierabend dachte keiner von ihnen. Verbissen brüteten sie, diskutierten und kamen immer wieder zum Punkt null.
    Ein Stoff, der nicht zu analysieren war, weil er nicht einmal eine erkennbare Atomstruktur besaß, der aber innerhalb von vierundzwanzig Stunden tödlich wirken sollte!
    Sonneur wischte die Blätter mit den Zahlenkolonnen in den Papierkorb. Ihm kam eine andere Idee. Er trat zu Tisch vier.
    »Philippe, abbrechen. Ich brauche Ihre Hilfe bei einem Versuch. Ich brauche Eintagsfliegen. Am besten ein Dutzend.«
    Über die Sprechanlage wurden sie angefordert. Zehn Minuten später standen die Behälter mit den Luftlöchern auf Tisch vier.
    »Chef, versprechen Sie sich wirklich etwas davon?« fragte Philippe, der sich nicht vorstellen konnte, was Sonneur plante.
    »Ich will wissen, ob das verdammte Gift wirklich Gift ist oder ob wir uns da nur in etwas verrennen, Philippe, weil es uns jemand vorgekaut hat!«
    Philippe Renoir assistierte. Die Eintagsfliegen wurden betäubt. Mit einer Mikronadel wurde der Hälfte der Fliegen eine winzige Dosis jenes Stoffes in den offenen Insektenblutkreislauf eingespritzt. Derweil begann der Computer die vierundzwanzig Stunden eines Menschenlebens umzurechnen auf die Zeit, die den Eintagsfliegen etwa verblieb.
    Die Zeit tropfte dahin. Die erste Minute verstrich, dann schon die zehnte, und keine der sechs infizierten Fliegen zeigte eine Reaktion.
    »Wahrscheinlich wirkt das Zeug auf Insekten anders als auf Menschen«, brummte Philippe. »Immerhin gibt es ja keinen einzigen Tierversuch, egal mit welchen Substanzen, der sich hundertprozentig auf den Menschen übertragen läßt, und damit sind Tierversuche an sich das Sinnloseste, was menschlicher Sadismus jemals erfinden konnte…«
    Sonneur nickte. Er kannte, billigte und teilte Philippes Ansicht. Aus diesem Grund standen in seinem Labor anstelle der Tierkäfige auch Computer, die das alles zu simulieren vermochten, ein Wunderwerk der Technik. Bei Fliegen sah er es ein wenig lockerer, obgleich er sich der Inkonsequenz seines Verhaltens durchaus bewußt war.
    Die zwölfte Minute verstrich, als drei der sechs infizierten Fliegen eine Reaktion zeigten. Zwei waren drei Sekunden später tot.
    »Verdammt«, murmelte Philippe.
    Da starben zwei der nicht infizierten Insekten!
    »Mich laust der Affe«, knurrte Sonneur. »Welcher Idiot hat uns eigentlich diese Veteranen geliefert? Die haben doch schon 1870/71 den unseligen Krieg gegen die Deutschen mit verloren, so alt müssen sie sein…«
    Diesen Versuch konnte er abschreiben. Die Insekten waren zu alt und damit wertlos! Aber dann wunderte er sich, als eines der infizierten Tiere nach einer halben Stunde immer noch lebte.
    Das ging weit über die vom Computer errechnete Zeitspanne hinaus!
    »Also doch kein Gift, sondern eine Einbildung?« wagte er zu hoffen.
    Es gab keine Sicherheit. Vielleicht reagierten Insekten wirklich anders. »Was ist, wenn wir diesen verdammten Stoff mit anderen zusammenführen? Chemische Reaktionen…?«
    »Haben wir schon versucht! Keine Reaktionen! Nur mit menschlichem Blut verbindet es sich, läßt sich aber durch die Zentrifuge wieder klar trennen. Aber wir können das Mädchen doch nicht in eine Zentrifuge stecken, Chef! Das bringt sie ja noch schneller um!«
    Doktor Sonneur verfiel ins Grübeln.
    Die Zentrifuge war ein Gerät, das rasend schnell rotierte und das Gesetz der Fliehkraft ausnutzte. Diese Fliehkraft zerriß jede Verbindung zwischen den Substanzen und sorgte dafür, daß die schweren Stoffe sich nach unten, also zum Außenrand des Kreisels, absetzten, die leichten dafür mehr
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