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0256 - Ein Mörder läßt sein Opfer grüßen

0256 - Ein Mörder läßt sein Opfer grüßen

Titel: 0256 - Ein Mörder läßt sein Opfer grüßen
Autoren: Ein Mörder läßt sein Opfer grüßen
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eingeheimst zu haben.
    »Agent Cotton!«, sagte eine klägliche Stimme.
    Joey Oddman stand über mich gebeugt da. Er hatte eine blaurote Nase.
    »Zum Teufel«, knurrte ich. »Frieren Sie auch so?«
    »Deswegen habe ich doch versucht, Sie wieder zu Bewusstsein zu bringen! Er hat uns im Tiefkühlraum eingeschlossen. Wir haben eine Temperatur von wenigstens dreißig Grad unter null!«
    Langsam wurde mir klar, dass ich sowohl in den Händen als auch in den Füßen kein Gefühl mehr hatte. Ich sah mich um. Ein paar Regale voller Kartons mit Eiscreme. An der Decke eine Glühbirne.
    »Das Licht hat er wenigstens nicht vergessen auszuschalten«, brummte ich. »Na, los, Oddman, wir massieren unsere Glieder, bis wieder Leben drinsteckt. Und dann werden wir schon sehen, wie wir hier rauskommen.«
    Mein Optimismus war entschieden verfrüht. Der Lump hatte mir nicht nur die Pistole und alles sonst abgenommen, er hatte mir auch den Mantel und die Jacke ausgezogen, damit ich von der Kälte mehr haben sollte.
    Ich weiß nicht, wie lange wir herumtrampelten, die Arme um die Brust schlugen, und die Beine massierten. Ich weiß nur, dass mir irgendwann klar wurde, dass es keinen Zweck hatte. Ohne auch nur ein Taschenmesser zu besitzen, konnte man nicht dicke Metallwände angehen.
    Die Kälte kroch trotz aller Bemühungen in unsere Glieder. Als Oddman sich zu Boden gleiten ließ und einschlafen wollte, riss ich ihn hoch und gab ihm eine Ohrfeige.
    »Nicht schlafen, Oddman!«, fuhr ich ihn an. »Nicht schlafen! Das ist das Letzte, was wir uns erlauben können!«
    Er verstand mich. Eine Weile hielt er sich wach. Dann spürte ich, wie eine bleierne Müdigkeit in mir hochkroch. Ich hüpfte ein bisschen herum. Als mir im Stehen die Augen zufielen, schlug ich meine Faust gegen die Wand eines Metallkastens, hinter dem die Kühlanlage summte.
    Die Kühlung setzte aus. Ich starrte verdattert auf die kahle, grau gestrichene Metallwand.
    »Ein - ein Wackelkontakt!«, rief Oddman mit glänzenden Augen. »Ein Wackelkontakt, Cotton!«
    Wir starrten gebannt auf den grauen Metallkasten, der über Kälte oder Wärme, Tod oder Leben entschied.
    Das Summen der Kühlanlage fing wieder an.
    Ich schlug wieder gegen den Kasten. Meine Knöchel schmerzten, dass mir das Wasser in die Augen trat.
    Die Kühlung verstummte. Für genau sechsundzwanzig Sekunden. Dann fing sie wieder an. Ich schlug den dritten Schlag.
    Wie lange würde ich es aushalten?
    ***
    Vierzig Stadtpolizisten und vierunddreißig G-men durchkämmten den Vergnügungspark. Von morgens, zehn Minuten vor sechs, bis vormittags zehn Uhr.
    Phil wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Leute vom Vergnügungspark kamen und fingen an, ihre Buden aufzumachen.
    »Wenn er nun gar nicht hier ist?«, fragte Gregory, der vor zehn Minuten gekommen und von Phil informiert worden war.
    »Dann ist alles aus«, sagte Phil. »Wir können nicht eine Acht-Millionen-Stadt auf den Kopf stellen.«
    Ein blonder Mädchenkopf drängelte sich heran.
    »Ich will ein Eis, Daddy!«, quengelte Betty.
    »Himmel, lass mich in Ruhe!«, tobte Gregory. »Du siehst doch, dass wir andere Sorgen haben! Ja, zum Teufel, was ist denn?«
    Ein Verkäufer war herangekommen.
    »Sir«, sagte er. »Mister Oddman ist nicht da. Wie sollen wir denn jetzt unsere Sachen bekommen?«
    »Heute geht aber auch alles drunter und drüber!«, knurrte Gregory. »Ich werde…«
    Phil unterbrach ihn.
    »Betty!«, rief er dem Mädchen nach, das sich beleidigt entfernen wollte, »Betty! Warte doch!«
    Er holte keuchend das Mädchen ein, bückte sich und fragte hastig: »Weißt du, wo das Eis ist? Das Eis, das Onkel Oddman an die Verkäufer ausgibt?«
    »Sicher«, erwiderte Betty. »Im Kühlraum! Aber da darf ich ja nicht rein!«
    Im Kühlraum!, dachte Phil. Im Kühlraum! Wir haben alles abgesucht. Wir haben jede Bude durchsucht. Jedes Karussell. Aber wir haben in Oddmans Lager nur einen flüchtigen Blick geworfen…
    Er setzte sich in Bewegung. Als er die Tür aufzog, lagen Oddman und ich bewusstlos auf dem Boden.
    ***
    Ein paar Tage später war ich wieder auf den Beinen, genau wie der alte Oddman. Phil und ich besuchten ihn einmal. Er war dabei, Eis auszugeben.
    »Komm«, sagte ich zu Phil. »Ich kann das Wort Eis nicht mehr hören. Lass, uns irgendwo eine brühheiße Tasse Kaffee trinken.«
    ENDE
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