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0231 - Meer der weißen Särge

0231 - Meer der weißen Särge

Titel: 0231 - Meer der weißen Särge
Autoren: Jason Dark
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noch die gleiche Strecke gefahren waren, wollte ich es kaum glauben.
    Aber ich spürte irgendwie dieses andere Venedig. Kaum ein Mensch befand sich unterwegs. Die Häuser sahen am Tage noch schlimmer, noch verfallener aus. Hier konnte man nicht mehr leben, nur noch hausen. Manchmal schauten aus glaslosen Fenstern finstere Gesichter. Man bespie uns, jemand warf auch eine Büchse, dann war es wieder still, und ich ließ mich von der Umgebung regelrecht fesseln.
    Irgendwie kam sie mir unheimlich vor. Jeder Stein hier, obwohl stumm, schien von Moder, Tod und Vergänglichkeit zu reden. Über dem Wasser lag ein seltsam fauliger Geruch. Tauben flogen durch die Luft. Ihre Flügelschläge kamen mir träge vor, und ich mußte wieder an die Vögel denken, die tot aufgefunden worden waren.
    Es gab auch Häuser, die beschriftet waren. Inschriften, die ich kaum entziffern konnten, weil sie in Latein geschrieben waren. In diese Gegend fiel nur selten ein Sonnenstrahl, in den engen schluchtenartigen Gassen war es wesentlich kühler als sonst, und das unsichtbare Gespenst des Verfalls geisterte überall umher.
    Der Lärm des kleinen Außenborders kam mir direkt störend vor.
    Dann erschien vor uns die Brücke, und der Kommissar erklärte mir, daß es genau die gewesen war, die das Mädchen verfehlt hatte, bevor es ins Wasser stürzte.
    »Wenn wir jetzt eine Zeichnung hätten«, murmelte ich.
    »Aber sie hat doch ausgesagt.«
    »Haben Sie die Worte noch im Kopf?«
    Tolini hob die Schultern. Er hatte die Geschwindigkeit gesenkt, saß am Heck und schaute nur.
    Wir fuhren unter der Brücke her. Irgendwie drohend kamen mir die Rückseiten der Häuser vor. Verfallene Fassaden, oft dicht über dem Wasser mit Moos bewachsen und manchmal entdeckte ich eine Treppe.
    Ich spürte, daß wir dicht vor dem Ziel waren, und sollte mich nicht getäuscht haben.
    Plötzlich sah ich etwas auf dem Wasser schwimmen. Mehrere Gegenstände, etwa doppelt so groß wie eine Hand und weißlich schimmernd. Wir glitten näher heran, und ich konnte die Gegenstände identifizieren.
    Es waren tote Tauben!
    Und sie schwammen mit den Bäuchen nach oben. Deshalb dieses hellere Schimmern.
    »Halten Sie an!« sagte ich mit rauher Stimme. Ich war etwas nervös geworden, denn wir befanden uns sicherlich nicht mehr weit vom Ziel entfernt.
    Der Motor verstummte. Ein wenig wurden wir noch weitergetrieben und gerieten zwischen die toten Tauben. Ich zählte sie rasch und kam auf die Zahl 18.
    18 tote Tauben! Hart mußte ich schlucken. Wer hatte ihren Tod verschuldet?
    An die Strigen wollte ich nicht so recht glauben, denn die letzte Satans-Eule war in der Nähe eines Taubenschwarms vorbeigeflogen, ohne daß sich etwas getan hätte. Wahrscheinlich waren die roten Riesenvampire an der Vernichtung dieser Tiere schuld.
    Befand sich die Strige vielleicht auch in der Nähe? Ich drehte mich in dem kleinen Boot, so gut es ging. Stille lastete zwischen den Hauswänden. Nur das Glucksen und Klatschen des Wassers war zu hören, wenn es gegen die Hauswände spülte.
    »Die Kleine hat doch von einem Balkon erzählt«, sagte Tolini.
    »Vielleicht sehen wir ihn hier.«
    Es gab zwar Balkons, aber ob nun der dabei war, über den Franca Patelli geklettert war, konnte ich auch nicht sagen.
    Unser Boot stieß mit dem Rumpf gegen die Hauswand, wurde wieder zurückgedrückt, weitergetrieben und glitt dorthin, wo ich etwas in die Wand eingemeißelt sah.
    Einen Text.
    Automatisch begann ich zu lesen. Die Stellen waren ebenfalls in lateinischer Sprache verfaßt, man hatte die Worte dicht nebeneinandergedrückt, kaum Zwischenraum gelassen, aber ein Name fiel mir auf.
    Strigus!
    Verdammt, er war hier. Oder mußte hier gewesen sein, denn nicht umsonst war sein Name hier verewigt worden. »Das ist es«, sagte ich mit fester Stimme und nickte dem Kommissar zu.
    »Wieso?«
    »Hier muß das Grab des Dogen oder was weiß ich liegen. Der Name Strigus ist in die Wand eingemeißelt worden.«
    Eine Minute ließ ich Tolini Zeit, sich den Text anzuschauen. Dann fragte ich: »Habe ich recht?«
    »Ja«, hauchte er. »Da steht Strigus und etwas von Todfeindschaft.«
    »Mit wem?«
    »Mit den Trinkern des Bluts.«
    »Das sind die Vampire!« stieß ich hervor.
    »Wahrscheinlich.«
    »Nicht nur das, sondern ganz sicher.« Mein Gesicht spannte sich.
    »Ich stehe dicht vor dem Ziel, Commissario, verdammt dicht sogar, und ich denke nicht daran, aufzugeben. Jetzt geht es los. Sie fahren zurück, holen meinen Partner, sperren das
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