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0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

Titel: 0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder
Autoren: Kugeln pfeifen Todeslieder
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»Ich wollte nur mal sehen, ob die Herztropfen anschlagen. Es kommt mir aber nicht so vor. Haben Sie das Zeug auch wirklich genommen?«
    »Natürlich, Doc«, erwiderte Kathy Martens, holte einen Schlüssel aus der Gewürzschublade und schloß den kleinen Schrank auf, der an der Wand hing. Sie brachte eine Flasche zum Vorschein, auf der eine junge Frau optimistisch lächelnd und mit Augen, in denen überschäumende Tatkraft blitzte, vom Etikett herabstrahlte. »Damit Sie’s glauben, werde ich meine Ration für heute gleich vor Ihren Augen einnehmen.«
    Sie schraubte die Flasche auf und holte einen Löffel. Unwillkürlich zählte Doc Euskow die Tropfen mit, die aus der Flasche in den Löffel perlten. Achtzehn, neunzehn, zwanzig — so.
    Kathy Martens hob den Eßlöffel an den Mund. Sie wußte ja nicht, daß der Tod hinter ihr stand und schon seine Knochenhand nach ihr ausstreckte.
    Auch Milborne hatte sein schwarzes Schaf in der weißen Herde unschuldiger Lämmer, als die sich die Bürger fühlten. Es war ein junger Mann von genau zwanzig Jahren. Er hieß Pete Stagger. Sein Vater war unbekannt, seine Mutter hatte das Städtchen mit unbekanntem Ziel verlassen, als Pete drei Jahre alt war. Man fand ihn morgens auf dem Altar der Kirche.
    An diesem Vormittag erschien er kurz vor neun in Stibson’s Snackbar und verlangte ein Bier.
    »Am frühen Morgen solltest du lieber eine Tasse Kaffee oder ein Glas Milch trinken!« brummte Stibson.
    »Geht Sie das was an?« sagte Stagger. Er warf eine große Münze auf den Tisch. »Dies ist ein Silberdoliar. Reicht das für Bier oder nicht?«
    »Du weißt verdammt genau, daß es mehr als genug ist!« sagte ärgerlich der Wirt.
    »Na, also«, erwiderte Pete zufrieden. »Dann geben Sie mir meine Büchse Bier und mein Wechselgeld. Oder ist dies hier kein öffentliches Lokal?«
    Stibson brummte etwas vor sich hin, was Pete unverständlich blieb, aber er stellte dem jungen Burschen ein Glas und eine geöffnete Büchse Bier hin. Gierig machte sich Pete darüber her.
    Er trank noch eine zweite Büchse leer, ehe er das Lokal verließ. Langsam schlenderte er durch die Straßen. Als er Sam Liginstone entdeckte, wollte er schnell in einem Hausflur verschwinden, aber es war bereits zu spät. Der Hüne von Pfarrer hatte ihn bereits gesichtet und stand mit zwei weiten Schritten schon so dicht vor ihm, daß sich Pete unmöglich noch verdrücken konnte.
    »Pete Stagger!« sagte der Pfarrer und nickte ernst, als ob er damit sagen wollte: Natürlich, der Teufel ist immer da, wo man am wenigsten mit ihm rechnet.
    »Yeah?« meinte Pete unsicher. »Ist irgendwas?«
    Samuel Liginstone gehörte zu dem Typ von Priestern, die mit ihren Schäfchen Fraktur reden, wenn es nötig ist. Bei Pete Stagger schien es ihm nötig. Er packte den Jungen mit einem festen Griff am Arm und sagte dabei: »Ich möchte mich einmal mit dir unterhalten, Pete. Du bist doch so freundlich und kommst mit zu mir, ja?«
    Zusammen betraten die beiden ungleichen Gestalten das karge Büro des Pfarrers. Liginstone zeigte auf einen Stuhl. Pete setzte sich gehorsam. Zu seinem Ärger bemerkte er, daß sich Liginstone so setzte, daß er die Tür versperrte. An Flucht war auch jetzt nicht zu denken.
    »Was macht eigentlich deine Halbschwester, Pete?« fragte Liginstone. »Wie heißt sie doch gleich? Mary, nicht wahr? Stimmt das?«
    Pete nickte.
    »Ja, Sir. Mary Johnson. Ich weiß nicht, was sie macht. Ich habe sie schon seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Das letzte, was mir zugetragen wurde, war, daß sie irgend jemand zufällig mal in New York gesehen hätte. Aber sonst weiß ich nichts von ihr.«
    »Sie könnte sich doch eigentlich ein bißchen um dich kümmern, findest du nicht auch?«
    »Ich brauch’ keine, die sich um mich kümmert. Ich kann auf mich selber aufpassen.«
    »Quatsch«, sagte Liginstone grob. »Daß du es nicht kannst, hast du ausreichend bewiesen. Wieviel hast du heute morgen schon wieder getrunken, he?«
    »Zwei Büchsen Bier, Sir, keinen Tropfen mehr. Und das habe ich doch auch nur getrunken, weil es so heiß war.«
    »Selbst wenn es heiß ist, brauchst du nicht den Tag gleich mit Bier anzufangen! Wie willst du denn das Bier bezahlen?«
    »Das ist schon bezahlt, Sir. Ich habe es nicht auf Kredit getrunken.«
    Liginstone zog die Augenbrauen in die Höhe. Während Pete schon darauf wartete, daß er für diesen Umstand gelobt werden würde, hörte er die tiefe, sonore Stimme des Pfarrers scharf sagen: »Bezahlt? Wo hast du
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