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0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

Titel: 0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder
Autoren: Kugeln pfeifen Todeslieder
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Der Kerl am Steuer stieg aus. Er war mittelgroß und breitschultrig. Auf der linken Seite zog sein tadellos geschneidertes Jackett eigenartige Falten. Aber woher sollte ein einfacher Farmer wissen, daß diese Falten von einer Schulterhalfter herrührten, in der eine geladene Pistole stak?
    »Tag, Mister — eh…« sagte der Mann aus dem Auto.
    »Ich bin Hillery Martens«, erwiderte der Farmer. Er ärgerte sich darüber, daß seine Stimme so ungewohnt klang. Zugleich fühlte er, daß seine Handteller naß waren von kaltem Schweiß. Aus den Augenwinkeln sah er Kathy hinübergehen zur Küche. In seinem Gehirn hämmerten tausend wirre Gedanken gleichzeitig durcheinander. »Wünschen Sie etwas von mir?« fuhr er fort, ohne recht zu wissen, was er sagte. »Ich meine, wollen Sie zu mir? Meine Frau ist nämlich… Ich meine, Kathy muß eben frühstücken — eh —, weil sie vorher das Geflügel…«
    Er kam rettungslos durcheinander, spürte es und wurde dadurch noch verwirrter. Hilflos brach er ab, während er in seinem Magen seine Wut über seine verfluchte Unbeholfenheit wie einen festen Klumpen fühlte.
    Der Mann grinste. Es war kein sympathisches Grinsen. Eher ein halb überhebliches und halb eiskaltes Grinsen. Mit der flachen Hand klatschte er auf die Kühlerhaube des schwarzen Wagens.
    »Wir brauchen ein bißchen Wasser, Mr. Martens«, sagte er. »Der Kühler kocht wie ein Kaffeetopf auf dem Gasherd. Die Trottel bei der Tankstelle hatten es natürlich nicht nötig, mal nach dem Kühlwasser zu sehen.«
    Hillery Martens fuhr zusammen, als er das Wort Kaffeetopf hörte. Unwillkürlich schielte er hinüber zum breiten Küchenfenstep. Undeutlich sah er Kathy in der Küche hantieren. Der Teufel mochte wissen, warum sie nicht am Tisch saß und frühstückte.
    »Eh — Wasser«, wiederholte Martens, wandte den Kopf wieder seinem Besucher zu und zwang sich mit aller Gewalt, den Eindruck eines vernünftigen, normalen Menschen zu machen. »Natürlich, Sir. Natürlich können Sie Wasser haben! Ein Eimer — ist das genug?«
    »Bestimmt. Aber es wäre vielleicht nützlich, wenn Sie einen Trichter mitbringen könnten. Geht das?«
    »Ja, selbstverständlich«, krächzte er. »Einen Eimer Wasser und einen Trichter, Sir. Selbstverständlich…«
    Er drehte sich um und stiefelte auf die Küche zu.
    Seine Schultern hingen leicht nach vorn. Sein Gang war schleppend. Es war, als ob er eine Last trüge, die beinahe über seine Kräfte ging.
    »Sie brauchen Kühlwasser«, sagte er in der Küche, als ob er mit sich selbst spräche. »Und einen Trichter zum Einfüllen.«
    Während er die Schublade aufzog und den Trichter herausnahm, wartete' er auf eine Antwort seiner Frau. Aber Kathy sagte nichts. Er hörte nur hinter sich das Rücken eines Stuhls.
    Schweigend ging er hinaus. Als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, atmete er auf. Gott sei Dank, schoß es ihm durch den Kopf, das war leichter, als ich gedacht hatte…
    »So«, sagte er ein paar Minuten später in seiner alten, normalen Stimme, die ihm endlich wieder vertraut klang, »hier ist Wasser.«
    Inzwischen hatten die Männer die Kühlerhaube hochgeklappt. Der Ausgestiegene wickelte sich ein Taschentuch um die Fingerspitzen und drehte vorsichtig den Kühlerdeckel. Weißer zischender Dampf stieg auf, und der Mann zog erschrocken die Hände zurück.
    Ein paar Sekunden lang zischte der Dampf unter der Macht des Überdrucks leise pfeifend empor. Allmählich wurden die weißen Schwaden schwächer. Schließlich konnte der Deckel ganz abgedreht werden. Hillery Martens steckte den Trichter in das Kühlerloch, hob den Eimer und goß das Wasser ein.
    Eine Minute später brauste der Wagen davon.
    Mit dem halbleeren Eimer in der rechten, dem Trichter in der linken Hand drehte Martens sich langsam um.
    Am Küchenfenster stand Kathy. Sie hielt ihre Kaffeetasse in der Hand und führte sie langsam zum Mund. Hillery Martens stand wie gelähmt. Etwas in seinem Gehirn schrie: Halt sie auf! Renn hin und reiß ihr die Tasse weg! Verdammt, so tu es doch!
    Hillery Martens stand wie gelähmt. Das schlechte Gewissen schüttelte ihn. Sollte er ihr die Tasse wegnehmen? Er hatte sich noch nicht aus seiner Erstarrung gelöst, als Kathy die Tasse schon leergetrunken hatte.
    ***
    Jenseits der Avenue of the Americas ragten die Gebäudetürme des Rockefeller Center in den morgendlich blauen Himmel. Ging man von der Ecke westwärts in die 49. Straße hinein, so hatte man schon bald das Haus Nummer 116 erreicht. Wir
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