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020 - Die Blutgraefin

020 - Die Blutgraefin

Titel: 020 - Die Blutgraefin
Autoren: Hugh Walker
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billige Hypnosekunststücke, die mich resignieren ließen. Aber immer wieder stieß ich auf unerklärliche Dinge – unerklärlich für den nüchternen Verstand, die mich vorantrieben, die mich mit neuen Zweifeln und frischer Neugier erfüllten.
    Ich beschloss, nach Osten zu fahren, nach Ungarn, nach Rumänien, wo in den kleinen Dörfern abseits der Zivilisation die Wunden noch frisch sind von den Dämonen des Mittelalters.
     

     
    Bereits sechs Tage schon befand ich mich in Wien und hatte so ziemlich alles gesehen, was für mich interessant war. Die Katakomben der alten Stephanskirche, in denen früheren Berichten zufolge der österreichische Templerorden seine geheimen Sitzungen abhielt. Da und dort stieß man noch auf Spuren, das in Stein gemeißelte Kreuz, bei dem sich jeder Balken in zwei im Profil dargestellte Schlangenköpfe teilt; die Blutgasse, die von der Domgasse hinabführt zur Singerstraße, und in der, der Chronik nach, das Blut der Templer hinabrieselte, als sie hingerichtet wurden.
    Dann die alten Häuser in der Schulerstraße, wo die Blutgräfin Erzsebéth Bathory historischen Berichten nach ihre blutigen Feste feierte.
    Es ist trotz der vielen Zeichen moderner Zivilisation an allen Ecken und Enden ein düsteres Viertel, vielleicht weil es eines der ältesten Wiens ist, und eines der blutigsten. Ein altes Sprichwort sagt: Blut ist nicht nur ein Saft, Blut ist eine Kraft!
    Und hier, wenn ich durch diese engen Gassen schritt, schien manchmal etwas von den alten, grauschwarzen Steinen der Häuser auszuströmen und die Realität hinwegzuwischen, als wäre sie nur Kulisse und die blutige Vergangenheit dahinter mit ihrer Pein und ihrer Qual frischer und lebendiger denn je.
    Es war wohl nur meine Phantasie, die mit mir durchging, aber es gab Augenblicke, da verschwanden die elektrischen Lampen, der Benzingeruch, das Geplärr von Radios, die Reklamen und Geschäfte. Dann stand ich fasziniert inmitten der alten ineinander verschachtelten, steinernen Häuser mit dicken Mauern, fühlte beinahe das grobe Pflaster unter dem Asphalt und empfand die ganze Düsternis der Vergangenheit. Das Gefühl wurde noch deutlicher, als ich um Mitternacht durch die alten Straßen wanderte, als das Licht längst verloschen war und alles schwieg, und die Häuser sich nicht mehr als finstere Silhouetten gegen einen fahlen Himmel abzeichneten.
    Auch die meisten der Bibliotheken hatte ich abgeklappert. Es gab nicht mehr viel zu tun. Es war an der Zeit, dass ich Wien verließ. Die Atmosphäre hier ermutigte mich, und ich ahnte, dass sie noch dichter werden würde, wenn ich erst Ungarn erreicht hatte.
    Als ich am Abend bereits beim Packen war, fiel mir der Name einer Spiritistin ein: Klara Ferenczek – Friedel hatte ihn einmal erwähnt, als wir uns über die Möglichkeiten des Spiritismus unterhielten. Sie war die einzige, die ihn offenbar jemals wirklich beeindruckt hatte. Sie wohnte in Wien – wenigstens noch vor etwa acht Jahren, als er ihr begegnet war.
    Ich hielt mit dem Packen inne. Ob sie noch in Wien war, ließ sich herausfinden. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert.
    Wenn es mir gelang, mit ihr in Kontakt zu kommen, dann hatte sich der Wienaufenthalt in jedem Fall gelohnt.
    Ich rief die Hotelrezeption an und erkundigte mich nach der Telefonnummer der Frau Ferenczek. Wenige Minuten später erfuhr ich, dass ihr Name im Rufnummerverzeichnis nicht enthalten sei. Für das Einwohnermeldeamt war es bereits zu spät. Ich beschloss, meinen Wienaufenthalt um einen Tag zu verlängern.
     

     
    Am nächsten Tag gelang es mir mit viel Geduld und noch mehr Telefonieren tatsächlich, die Adresse zu erforschen. Sie lebte noch immer in Wien und wohnte in der Schulerstraße im ersten Bezirk.
    Schulerstraße! Das war genau jenes Viertel, durch das ich so oft spaziert war, ganz in der Nähe der Blutgasse und des Doms.
    Welch ein Platz für Spiritismus!
    Ich machte mich sofort auf den Weg und fand das Haus auch ohne Schwierigkeit. Die Schulerstraße war eng, und der Bus kam quälend langsam vorwärts. Ich war froh, als ich endlich aussteigen konnte. Schwitzend gelangte ich an das Haus und ließ mich aufatmend von der Stille und Kühle umfangen, als das schwere Haustor zufiel. Das war es, was diese alten Häuser alle ausströmten – Kühle und Stille.
    Die Namensschilder der Hausbewohner waren zum Teil von der Tafel an der Flurwand entfernt worden oder so verblasst, dass sie nur mit großer Mühe im Dämmerlicht zu lesen waren.
    Aber
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