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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II
Autoren: Karl May
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vollständigem Zaumzeug, und dabei lehnte eine jener ellenlangen Kentuckybüchsen, welche jetzt nur noch äußerst selten zu sehen sind, weil sie den Hinterladern weichen mußten. Seine sonstige Bewaffnung bestand aus einem Bowiemesser und zwei großen Revolvern, deren Griffe aus seinem Gürtel ragten. Dieser letztere bestand aus einem Lederschlauch von der Form einer sogenannten ‚Geldkatze‘, welcher rundum mit handtellergroßen Skalphäuten besetzt war. Da diese Skalpe nicht auf den Köpfen von Bleichgesichtern gesessen hatten, so war zu vermuten, daß sie von ihrem jetzigen Besitzer den von ihm besiegten Indianern abgenommen worden waren.
    Der Boardkeeper brachte mir das bestellte Bier. Als ich das Glas an die Lippen setzen wollte, hielt der Jäger mir das seinige entgegen und sagte:
    „Halt! Nicht so eilig, Boy! Wollen vorher anstoßen. Ich habe gehört, daß dies drüben in Eurem Vaterlande Sitte ist.“
    „Ja, doch nur unter guten Bekannten“, antwortete ich, indem ich zögerte, seiner Aufforderung nachzukommen.
    „Ziert Euch nicht! Jetzt sitzen wir beisammen und haben es gar nicht nötig, uns, wenn auch nur in Gedanken, die Hälse zu brechen. Also stoßt an! Ich bin kein Spion oder Bauernfänger, und Ihr könnt es getrost für eine Viertelstunde mit mir versuchen.“
    Das klang anders als vorhin; ich berührte also sein Glas mit dem meinigen und sagte:
    „Für was ich Euch zu halten habe, das weiß ich, Sir. Wenn Ihr wirklich Old Death seid, so brauche ich nicht zu befürchten, mich in schlechter Gesellschaft zu befinden.“
    „Ihr kennt mich also? Nun, dann brauche ich nicht von mir zu reden. Sprechen wir also von Euch! Warum seid Ihr denn eigentlich in die Staaten gekommen?“
    „Aus demselben Grunde, welcher jeden andern herbeiführt – um mein Glück zu machen.“
    „Glaube es! Da drüben im alten Europa denken die Leute eben, daß man hier nur die Tasche aufzumachen habe, um die blanken Dollars hineinfliegen zu sehen. Wenn es einmal einem glückt, so schreiben alle Zeitungen von ihm; von den Tausenden aber, welche im Kampf mit den Wogen des Lebens untersinken und spurlos verschwinden, spricht kein Mensch. Habt Ihr denn das Glück gefunden, oder befindet Ihr Euch wenigstens auf seiner Fährte?“
    „Ich denke das letztere bejahen zu können.“
    „So schaut nur scharf aus, und laßt Euch die Spur nicht wieder entgehen! Ich weiß am besten, wie schwer es ist, eine solche Fährte festzuhalten. Vielleicht habt Ihr gehört, daß ich ein Scout (Späher, Kundschafter, Pfadfinder) bin, der es mit jedem andern Westmann aufzunehmen vermag, und dennoch bin ich bisher dem Glück vergeblich nachgelaufen. Hundertmal habe ich geglaubt, nur zugreifen zu brauchen, aber sobald ich die Hand ausstreckte, verschwand es wie ein castle in the air (Luftschloß), welches nur in der Einbildung des Menschen existiert.“
    Er hatte das in trübem Tone gesprochen und blickte dann still vor sich nieder. Als ich keine Bemerkung zu seinen Worten machte, sah er nach einer Weile wieder auf und meinte:
    „Ihr könnt nicht wissen, wie ich zu solchen Reden komme. Die Erklärung ist sehr einfach. Es greift mir immer ein wenig an das Herz, wenn ich einen Deutschen, zumal einen jungen Deutschen sehe, von dem ich mir sagen muß, daß er wohl auch – untergehen wird. Ihr müßt nämlich wissen, daß meine Mutter eine Deutsche war. Von ihr lernte ich ihre Muttersprache, und wenn es Euch beliebt, können wir also deutsch sprechen. Sie hat mich bei ihrem Tode auf den Punkt gesetzt, von welchem aus ich das Glück vor mir liegen sah. Ich aber hielt mich für klüger und lief in falscher Richtung davon. Master, seid gescheiter als ich! Es ist Euch anzusehen, daß es Euch grad so gehen kann wie mir.“
    „Wirklich? Wieso?“
    „Ihr seid zu fein; Ihr duftet nach Wohlgerüchen. Wenn ein Indianer Eure Frisur sähe, so würde er vor Schreck tot hinfallen. An Eurem Anzuge gibt es kein Fleckchen und kein Stäubchen. Das ist nicht das Richtige, um im Westen sein Glück zu machen.“
    „Ich habe keineswegs die Absicht, es grad hier zu suchen.“
    „So! Wollt Ihr wohl die Güte haben, mir zu sagen, welchem Stand oder Fach Ihr angehört?“
    „Ich habe studiert.“ Ich sagte das mit einem gewissen Stolz. Er aber sah mir mit leichtem Lächeln – das bei seinen Totenkopfzügen wie ein höhnisches Grinsen erschien – in das Gesicht, schüttelte den Kopf und sagte:
    „Studiert! O wehe! Darauf bildet Ihr Euch jedenfalls viel ein? Und doch
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