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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II
Autoren: Karl May
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zog höflich den Hut und fragte ihn, ob er nicht einen weißen Gentleman flüchtig aus der Gasse habe kommen sehen. Er fletschte mir seine langen, gelben Zähne lachend entgegen und antwortete:
    „Yes, Sir! Habe ihn schon. Lief sehr schnell, sehr. Ist da hinein.“
    Er deutete nach einer der kleinen Villen. Ich dankte ihm und beeilte mich, das Häuschen zu erreichen. Die eiserne Pforte des Gartens, in welchem es stand, war verschlossen, und ich klingelte wohl fünf Minuten lang, bevor mir ein Mann, wieder ein Neger, öffnete. Ihm trug ich mein Anliegen vor; er schlug indessen die Türe vor meiner Nase zu und meinte:
    „Erst Massa fragen. Ohne Erlaubnis von Massa ich nicht aufmachen.“
    Er ging, und ich stand wenigstens zehn Minuten lang wie auf Kohlen. Endlich kehrte er mit dem Bescheid zurück:
    „Nicht aufmachen darf. Massa verboten. Kein Mann heut hereingekommen. Türe zugeschlossen stets. Ihr also schnell fortgehen, denn wenn etwa über den Zaun springen, dann Massa sein Hausrecht brauchen und mit Revolver schießen.“
    Da stand ich nun! Was sollte ich tun? Mit Gewalt eindringen durfte ich nicht; ich war überzeugt, daß in diesem Falle der Besitzer wirklich auf mich geschossen hätte; denn der Amerikaner versteht in Beziehung auf sein Heim keinen Spaß. Es blieb mir nichts anderes übrig, als zur Polizei zu gehen.
    Als ich höchst ergrimmt über den Platz zurückschritt, kam ein Junge auf mich zugelaufen. Er hatte einen Zettel in der Hand.
    „Sir, Sir“, rief er. „Wartet einmal! Ihr sollt mir zehn Cents für diesen Zettel geben.“
    „Von wem ist er denn?“
    „Von einem Gentleman, welcher eben da drüben“ – er deutete nicht nach der Villa, sondern in grad entgegengesetzter Richtung „aus dem Hause kam. Er zeigte mir Euch und schrieb mir die Zeilen auf. Zehn Cents, so bekommt Ihr sie.“
    Ich gab ihm das Geld und erhielt den Zettel. Der Junge sprang von dannen. Auf dem verwünschten Papier, welches aus einem Notizbuch gerissen war, stand:
    „Mein werter Master Dutchman.
    Seid Ihr etwa meinetwegen nach New Orleans gekommen? Ich vermute das, weil Ihr mir folgt. Ich habe Euch für albern gehalten; für so dumm, mich fangen zu wollen, aber doch nicht. Wer nicht mehr als nur ein halbes Lot Gehirn besitzt, der darf sich so etwas nicht unterfangen. Kehrt getrost nach New York zurück, und grüßt Master Ohlert von mir. Ich habe dafür gesorgt, daß er mich nicht vergißt, und hoffe, daß auch Ihr zuweilen an unsere heutige Begegnung denkt, welche freilich nicht sehr ruhmvoll für Euch abgelaufen ist. Gibson.“
    Man kann sich denken, welches Entzücken ich empfand, als ich diese liebenswürdige Epistel las. Ich knüllte den Zettel zusammen, steckte ihn in die Tasche und ging weiter. Es war möglich, daß ich von ihm heimlich beobachtet wurde, und ich wollte dem Menschen nicht die Genugtuung bereiten, mich in Verlegenheit zu sehen.
    Dabei blickte ich forschend über den Platz. Gibson war nicht zu sehen. Der Neger war vom Barbierladen verschwunden; den Jungen konnte ich ebenfalls nicht entdecken und ihn nach Gibson fragen. Er hatte jedenfalls die Weisung erhalten, sich schnell davonzumachen.
    Während ich wegen des Einlasses in die Villa kapitulierte, hatte Gibson Zeit gefunden, mir in aller Gemütlichkeit einen Brief von dreiundzwanzig Zeilen zu schreiben. Der Neger hatte mich genarrt; Gibson lachte mich ohne Zweifel aus, und der Junge hatte eine Miene gemacht, aus welcher ich ersehen mußte, daß er wußte, ich sei einer, der geprellt werden solle.
    Ich befand mich in einer ärgerlichen Stimmung, denn ich war blamiert, im höchsten Grade blamiert, und durfte nicht einmal auf der Polizei erwähnen, daß ich Gibson begegnet sei. Ich ging also still davon.
    Ohne den freien Platz wieder zu betreten, durchsuchte ich die in denselben einmündenden Gassen, natürlich ohne den blassen Schimmer eines Erfolges, denn es verstand sich ganz von selbst, daß Gibson ein für ihn so gefährliches Stadtviertel schleunigst verlassen hatte. Es war sogar zu vermuten, daß er die erste Gelegenheit, aus New Orleans zu kommen, benutzen werde.
    Auf letzteren Gedanken kam ich trotz meines nur ‚ein halbes Lot‘ wiegenden Gehirnes und begab mich infolgedessen nach dem Platz, an welchem die an jenem Tage abgehenden Schiffe lagen. Zwei in Zivil gekleidete Polizisten unterstützten mich – auch vergeblich. Der Ärger, so übertölpelt worden zu sein, ließ mich nicht ruhen, und ich durchwanderte, in alle möglichen
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