Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nötigen Vollmachten und Anweisungen, auch eine Photographie von William Ohlert, und dampfte zunächst nach Cincinnati ab. Da Gibson mich kannte, so nahm ich auch diejenigen Requisiten mit, derer ich bedurfte, wenn ich in die Lage kommen sollte, mich durch Verkleidung unkenntlich zu machen.
    In Cincinnati suchte ich den betreffenden Bankier auf und erfuhr von ihm, daß Gibson sich wirklich bei William Ohlert befunden habe. Von da ging es nach Louisville, wo ich in Erfahrung brachte, daß die beiden sich Billets nach St. Louis genommen hatten. Natürlich reiste ich nach, fand aber erst nach längerem und angestrengten Suchen ihre Spur. Hierbei war mir mein alter Mr. Henry behilflich; denn es versteht sich ganz von selbst, daß ich ihn sofort aufsuchte. Er war nicht wenig erstaunt, mich als Detektiv zu sehen, bedauerte den Verlust, den ich durch den Schiffbruch erlitten hatte, auf das lebhafteste und nahm mir, als wir uns trennten, das Versprechen ab, nach Lösung meiner jetzigen Aufgabe meine Stellung aufzugeben und nach dem Wilden Westen zu gehen. Ich sollte dort sein neu erfundenes Repetiergewehr probieren und den Bärentöter wollte er mir auch aufheben.
    Ohlert und Gibson waren auf einem Mississippidampfer nach New Orleans gefahren, wohin ich ihnen folgen mußte. Ohlert sen. hatte mir ein Verzeichnis derjenigen Geschäftshäuser gegeben, mit denen er in Verbindung stand. In Louisville und St. Louis war ich zu den Betreffenden gegangen und hatte erfahren, daß William bei ihnen gewesen sei und Geld erhoben habe. Dasselbe hatte er auch in New Orleans bei zwei Geschäftsfreunden getan; die übrigen warnte ich und bat sie, sofort zu mir zu schicken, falls er noch kommen werde.
    Das war alles, was ich erfahren hatte, und nun stak ich mitten in der Brandung der Menschenwogen, welche die Straßen von New Orleans durchfluten. Wie sich ganz von selbst versteht, hatte ich mich an die Polizei gewendet und konnte nun weiter nichts tun, als abwarten, welchen Erfolg die Hilfe dieser Leute haben werde. Um nicht ganz untätig zu bleiben, trieb ich mich suchend in dem Gewühl herum. Vielleicht kam mir ein günstiger Zufall zu statten.
    New Orleans hat einen ganz entschieden südlichen Charakter, besonders in seinen älteren Teilen. Da gibt es schmutzige, enge Straßen, Häuser, welche mit Laubenvorbauten und Balkons versehen sind. Dorthin zieht sich dasjenige Leben zurück, welches das Licht des Tages zu scheuen hat. Da sind alle möglichen Gesichtsfarben vom krankhaft gelblichen Weiß bis zum tiefsten Negerschwarz vertreten. Leierkastenmänner, ambulante Sänger und Gitarrespieler produzieren ihre ohrenzerreißenden Leistungen. Männer schreien, Frauen kreischen; hier zerrt ein zorniger Matrose einen scheltenden Chinesen am Zopfe hinter sich her; dort balgen sich zwei Neger, von einem Kreise lachender Zuschauer umgeben. An jener Ecke prallen zwei Packträger zusammen, werfen sofort ihre Lasten ab und schlagen wütend aufeinander los. Ein dritter kommt dazu, will Frieden stiften und bekommt nun von beiden die Hiebe, welche ursprünglich nicht für ihn bestimmt waren.
    Einen bessern Eindruck machen die vielen kleinen Vorstädtchen, welche aus netten Landhäusern bestehen, die sämtlich von sauberen Gärten umfriedet sind, in denen Rosen, Stechpalmen, Oleander, Birnen, Feigen, Pfirsiche, Orangen und Citronen stehen. Dort findet der Bewohner die ersehnte Ruhe und Beschaulichkeit, nachdem ihn der Lärm der Stadt umtobt hat.
    Am Hafen geht es natürlich am regsten zu. Da wimmelt es förmlich von Schiffen und Fahrzeugen aller Arten und Größen. Da liegen riesige Wollballen und Fässer aufgestapelt, zwischen denen sich Hunderte von Arbeitern bewegen. Man könnte sich auf einen der Baumwollmärkte Ostindiens versetzt denken.
    So wanderte ich durch die Stadt und hielt die Augen offen – vergeblich. Es war Mittag und sehr heiß geworden. Ich befand mich in der schönen, breiten Common-Street, in welcher mir das Firmenschild einer deutschen Bierstube in die Augen fiel. Ein Schluck Pilsener in dieser Hitze konnte nichts schaden. Ich ging hinein.
    Welcher Beliebtheit sich schon damals dieses Bier erfreute, konnte ich aus der Menge der Gäste ersehen, welche in dem Lokal saßen. Erst nach langem Suchen sah ich einen leeren Stuhl, ganz hinten in der Ecke. Es stand da ein kleines Tischchen mit nur zwei Sitzplätzen, deren einen ein Mann eingenommen hatte, dessen Äußeres wohl geeignet gewesen war, die Besucher von der Benutzung des zweiten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher