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02 - Geheimagent Lennets erster Auftrag

02 - Geheimagent Lennets erster Auftrag

Titel: 02 - Geheimagent Lennets erster Auftrag
Autoren: Vladimir Volkoff
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abgeklärte und nachdenkliche Gesicht eines Gelehrten, der es gewohnt ist, Probleme mit logischen Gedankengängen zu bewältigen.
    »Ich will damit sagen", erklärte er ruhig, »daß wir, sobald ich gesprochen habe, überflüssig geworden sind. Und daß sie daraufhin nichts Eiligeres zu tun haben werden, als uns beiseite zu schaffen. Im Moment haben sie Sie vermutlich mit Drohungen bearbeitet. Bei Silvia werden sie es mit Milde und bei mir mit Geld versuchen. Aber sobald sie einmal wissen, was sie wissen wollen...«
    Lennet legte die Hand an den Mund und deutete dem Gelehrten mit einer Geste an, daß der Feind zweifellos zuhörte.
    In allen Ecken des Kellers waren möglicherweise Mikros angebracht worden.
    Ein schlaues Lächeln umspielte die Lippen des Professors und er nickte leicht.
    »Allerdings", fuhr er fort, ohne daß ein etwaiger Zuhörer einen Bruch in seinen Ausführungen hätte bemerken können,
    »allerdings wäre es auch möglich, daß sie mir, in Anerkennung meiner Arbeit, wirklich interessante Vorschläge machen. Sie dürften nicht viele Gelehrte meiner Art in ihrem Land besitzen wie immer es heißt - und andererseits hat sich Frankreich mir gegenüber nicht sehr großzügig erwiesen...«
    Schreie und das stoßweise Rattern einer Maschinenpistole unterbrachen seine Worte.
    »Hinaus mit euch beiden!« hatte Timotheus den Bewaffneten zugerufen, die Silvia hereinführten.
    Dann wandte er sich an sie: »Nun, meine Kleine, der gute alte Timotheus war doch nicht ganz das, was Sie von ihm dachten, wie?«
    Silvia stand vor ihm und bemühte sich krampfhaft, nicht zu zittern. Sie starb fast vor Angst. Die plötzliche Verwandlung des alten Straßenkehrers in den Chef einer Agentengruppe hatte sie ganz außer Fassung gebracht. Aber das würde sie ihm nicht zeigen.
    Dieser Biedermann ist ein Feind, schärfte sie sich ein. Er hat uns alle betrogen. Er verachtet uns. Ich will ihm zeigen, daß auch ich mutig sein kann.
    Sie blickte ihm, ohne zu antworten, starr ins Auge. »Tapfere Kleine!« lobte Timotheus. »Sie erstickt vor Angst, wird es aber nie eingestehen. Doch Sie fürchten sich zu Unrecht, Fräulein Silvia. Wir haben nichts Böses mit Ihnen im Sinn, das können Sie mir glauben, und mit Ihrem Papa ebensowenig. Wir würden nur gern aus seinem Genie, das groß ist und das die Franzosen so wenig zu schätzen wissen, Nutzen ziehen. Ein Mann wie er würde bei uns wie ein Fürst leben! Zehn Diener, das prächtigste Auto... Ein Privathaus in der Stadt, eine Villa am Meeresstrand... Ihr laßt eure Gelehrten wie Kleinbürger leben.
    Ich hoffe, Sie werden das Ihrem Vater, der immer so nett zu Ihnen war, klarmachen können. Zeigen Sie ihm, wie glücklich Sie wären, endlich mit all den Annehmlichkeiten, die Ihnen zukommen, zu leben...«
    »Oh, mir kommt nichts zu", sagte Silvia eisig, »ich bin ein Mädchen wie alle anderen.«
    Während sie Timotheus zuhörte, hatte sie erwogen, wie sie ihm den Mund stopfen könnte. Gewiß, sie konnte ihn beleidigen, ihn verhöhnen, aber gab es nichts Nützlicheres zu tun? Sie waren allein, und Papa hatte doch gesagt, daß er alle Patronen aus Charles' Pistole genommen hatte. Gefährlich war die Sache trotzdem. Timotheus würde sich vielleicht einer anderen Waffe bedienen als dieser.
    »Aber, aber, Kleine", sagte Timotheus, »seien Sie doch nicht so bockig. Ich versichere Ihnen, daß wir nur Gutes im Sinn haben. Natürlich, wenn Ihr Papa hartnäckig bleibt, dann kann ich für die Entscheidung meiner Regierung nicht bürgen. Wir wären dann vielleicht gezwungen, ihm mit etwas brutalen Mitteln verständlich zu machen, wo seine Interessen liegen.
    Aber Sie werden uns doch nicht zwingen, uns dieser Mittel bedienen zu müssen, wie? Als vernünftiges junges Mädel werden Sie verstehen, daß... "
    »Im Augenblick bin ich nur ein Mensch, dem übel wird", unterbrach ihn Silvia. »Kann ich das Fenster öffnen?«
    Timotheus zögerte den Bruchteil einer Sekunde. »Aber gewiß.«
    Er trieb die Ritterlichkeit sogar so weit, höchstpersönlich das Fenster zu öffnen und die Läden aufzustoßen. Dann aber trat er, gemäß seiner Taktik der scharfen Gegensätze, einen Schritt zurück und zog Charles' Pistole aus der Tasche.
    »Nichts für ungut. Wir sind trotzdem gezwungen, Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen.«
    Silvia lief ans Fenster und atmete tief die nächtliche Luft ein.
    Draußen sah sie schemenhaft einen Strauch. Einen Meter von

    der Hausmauer entfernt fiel die Klippe fast senkrecht zum Meer ab.
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