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0170 - Die Ratte von Harlem

0170 - Die Ratte von Harlem

Titel: 0170 - Die Ratte von Harlem
Autoren: Die Ratte von Harlem
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und Biewer auch.
    Dann machte ich mich hinter dem Mann mit der Karre her. Diesmal würde ich ihn nicht mehr aus den Augen lassen.
    Vier verregnete Tage und Nächte beschatteten wir den Hof in der schmutzigen Seitenstraße. Es war ein wahres Kunststück, diese Arbeit unbemerkt zu tun. Am Tage schliefen Phil und ich abwechselnd. Nachts wachten wir immer zusammen.
    Am fünften Tag überließen wir Holman die Aufsicht. Mr. High hatte noch zwei alte Hasen geschickt, die sich so meisterhaft auf das Beschatten verstanden, daß nicht einmal Phil und ich sie entdeckten, als wir am Vormittag des fünften Tages ins Hauptquartier fuhren.
    »Vielleicht haben wir uns verkalkuliert«, meinte der Chef vorsichtig.
    »Ich habe mich dann verkalkuliert«, antwortete ich.
    Er winkte ab. »Sie haben genau das getan, Jerry, was ich auch getan hätte.« Phil blickte aus dem Fenster.
    »Er hätte es zum Beispiel nicht getan«, meinte ich.
    Phil blickte mich müde an. »Unsinn! Ich habe nur mal gegähnt.«
    Der Chef ließ uns eine Erfrischung kommen. »So kann es mit Ihnen auch nicht weitergehen. Sie sehen ja beide aus wie Nachtschattengewächse…«
    ***
    Wir gaben nicht auf.
    Der Mörder ließ uns im Regen aufweichen.
    Phil hatte sich schon einen richtigen Schnupfen geholt. Aber er hielt Nacht für Nacht neben mir aus.
    Tagsüber mußten wir von nun an wohl oder übel schlafen.
    Neun Tage dauerte die Nachtwache' Im Hinterhof des Gemüsehändlers schon. Die Leute hätten uns längst bemerkt, wenn der Regen nicht gewesen wäre. Der hielt sie in den Häusern. Sie — und den Mörder.
    Langsam machte ich mich schon mit dem Gedanken vertraut, daß wir wieder mal auf dem falschen Bahnhof saßen.
    Phil war auch sehr kleinlaut geworden. Das heißt, er sprach ja ohnehin kaum etwas. Einmal, gegen zehn Uhr, hob er den Konf aus unserem Unterstand oben auf dem Teerdach neben dem Karrenschuppen, den wir nach Einbruch der Dunkelheit schon regelmäßig bezogen, blickte in den schwarz-grauen Himmel und brummte: »Wo kommt bloß das viele Wasser her?«
    Schläfrig und trübe starrten wir in den Hof.
    Jonny Ranks hatte seine kleine Wohnung zu ebener Erde, direkt über dem Geschäft.
    Das Licht In seiner Küche erlosch. Von da ging er gleich nebenan ins Schlafzimmer. Seine Frau war schon gegen halb zehn schlafen gegangen. Da hatte sie die Vorhänge vorgezogen.
    Überhaupt kannten wir schon die Gewonnheiten und Zeiten all der Leute, die Anlieger an den bewachten Hof waren.
    Phil hatte in den ersten tatenfrohen Tagen einmal gemeint; daß wir eigentlich für unseren kostenlosen Wachdienst von den einzelnen Familien Prämien in Form von unterhaltender Musik oder so etwas ähnlichem erwarten könnten. Aber die Musik sah so aus, daß jeder bis wenigstens neun Uhr sein Radio auf Lautstärke 11 schreien ließ. Und nicht etwa alle auf der gleichen Welle. Jeder hatte nach Möglichkeit einen anderen Sender eingeschaltet. New York hat ja genug Radiostationen.
    Wir kannten die Leute fast alle. Die alte Frau, die sich gegen sieben an den Abendbrottisch setzte, ihren fetten Hund vor sich neben der Kaffeekanne sitzen hatte und fütterte. Den alten Mann, der mit dem vierjährigen kleinen Jungen allein lebte. Wir hatten erfahren, daß er der Großvater war. Die Eltern waren vor zwei Jahren beim Schwimmen ertrunken. Fast nur Farbige. Links wohnten die zehn kleinen Negerlein, wie wir sie nannten. Eine Familie mit acht Kindern. Die Eltern sammelten sie gegen sieben regelrecht von der Straße ein. Vater und Mutter teilten sich in die Säuberung der schwarzen Sprößlinge. Aber die meiste Zeit regnete es ja, und da spielten sie in den Hausfluren. Der Lärm, den sie dabei verursachten, konnte einen nervenkrank machen.
    Hart bleiben, G.-man habe ich mir zugesagt.'Es wurde nach Mitternacht regelrecht kalt. Wir froren sogar unter unseren schweren Gummimänteln. Das Schlimmste war, daß wir nicht rauchen durften. Das war aber nicht zu ändern. Denn der Mann, den wir erwarteten, war mißtrauisch wie… wie eben eine richtige Ratte.
    Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. So schnell, daß ich erst richtig zur Besinnung kam, als alles vorüber war. Im Morgengrauen fuhr draußen rasselnd ein Wagen vor. Wir kannten ihn schon. Er gehörte mit zum Uhrwerk des Hinterhofes in der alten Straße.
    Es war der Müllwagen. Ächzend und keuchend, mit ratterndem Dieselmotor, blieb er direkt vor der Einfahrt halten. Die Geräusche brachen sich in dem Torweg und klangen dumpf und in vielfachem Echo
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