Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
016 - 30 Meilen unter dem Meer

016 - 30 Meilen unter dem Meer

Titel: 016 - 30 Meilen unter dem Meer
Autoren: Timothy Stahl
Vom Netzwerk:
»So dicht vorm Ziel gebe ich nicht auf! Schon gar nicht wegen ein bisschen Unwetter!«
    Wie zur Strafe für seinen Frevel schlug ihm ein Eisklumpen gegen die Stirn. Schmerz explodierte dahinter; für Sekunden wurde ihm schwarz vor Augen.
    Und jetzt erst recht nicht! sagte sich Matt, als er wieder klar sah - so weit in den Regenschleiern überhaupt etwas klar zu sehen war…
    Calais erinnerte ihn an die Bilder zerbombter Städte aus dem zweiten Weltkrieg. Der Unterschied bestand nur darin, dass die entfesselte Natur hier noch gründlichere Arbeit geleistet hatte als die Menschen vor über fünfhundertsiebzig Jahren. Calais war beinahe dem Erdboden gleichgemacht.
    Nur vereinzelt erhoben sich noch Ruinen, die erkennbar einmal Gebäude gewesen waren. Alles andere lag in Schutt, war ein gewaltiges Trümmerfeld.
    Matt Drax konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Er empfand eine sonderbare Art von Ehrfurcht vor der zerstörerischen Macht der Natur.
    Bevor er sich in weiteren Überlegungen verlieren konnte, trieb er den Frekkeuscher an, indem er ihm die Hacken in die Flanken drückte. Das Tier war nervös, wollte seinem Reiter nicht recht gehorchen. Doch Matt zwang es mit eiserner Hand voran. Manchmal wunderte er sich selbst, wie schnell er mit all den fremden Dingen, die es in dieser Zeit gab, vertraut geworden war. Diese Riesenheuschrecken beispielsweise waren ihm zuerst regelrecht unheimlich vorgekommen. Inzwischen aber ritt er darauf, als habe er in dieser Welt sein Lebtag lang keine andere Art der Fortbewegung gekannt.
    In dieser Welt…
    Die Worte hallten unangenehm in Matts Kopf wider. Er versuchte so selten wie möglich daran zu denken, dass er nicht in diese Welt und diese Zeit gehörte. Es hatte ihn hierher verschlagen, gegen seinen Willen.
    Er hatte eine Zeitreise gemacht, rund fünfhundert Jahre »übersprungen«. Auslöser war die Druckwelle eines Kometen gewesen, der die Erde getroffen hatte. Auf die näheren Umstände konnte er sich aber noch immer keinen Reim machen - und würde sie vielleicht nie herausfinden…
    Trotzdem gab er nicht auf, allen Rückschlägen und Enttäuschungen zum Trotz. Denn es gab eine neue Hoffnung!
    In Laabsisch, dem früheren Leipzig, war Matt Drax auf eine Spur gestoßen, der er seither folgte. Er hatte erfahren, dass es in dieser Zeit sehr wohl Menschen gab, die nicht wie die restliche Weltbevölkerung degeneriert waren - auch so eine Unmöglichkeit, die noch enträtselt werden musste -, sondern das Wissen ihrer Vorfahren gepflegt und fortentwickelt hatten. Menschen, die in sorgsam von der Außenwelt abgeriegelten Bunkern lebten, in so genannten Communities. Jeweils eine solche Gemeinde gab es unter anderem in Salisbury und London.
    Deshalb waren Matt und Aruula unterwegs in Richtung der britischen Insel. Calais hatte Matt zum Zwischenziel erkoren, weil er hoffte, dass es die unterseeische Verbindung zwischen dem Festland und der Insel noch gab, den Euro- Tunnel. Ende des 20. Jahrhunderts war dieses Projekt fertig gestellt worden, und vielen hatte diese rund fünfzig Kilometer lange Schienenverbindung unter dem Meeresboden seinerzeit als neues Weltwunder gegolten. Die Distanz zwischen dem europäischen Kontinent und der britischen Insel war zum Katzensprung geworden.
    Matts Hoffnung, den »Channel Tunnel« noch intakt vorzufinden, beruhte darauf, dass diese Röhre schließlich für extremste Belastungen konstruiert war. Gut möglich also, dass der »Chunnel«, wie er auch genannt worden war, die Katastrophe am 12. Februar des Jahres 2012 überstanden hatte.
    Nur die alten Fahrpläne werden wohl nicht mehr gelten, dachte Matt in einem Anflug von skurrilem Humor. Er trieb den Frekkeuscher weiter ins einstige Zentrum der Stadt. Die Sprünge des Tieres waren so grotesk wie widerwillig. Der Sturm hieb auf das Rieseninsekt und seine Reiter ein. Und mit jedem Satz, den der Frekkeuscher vollführte, schienen die ringsum tobenden Gewalten noch zuzunehmen.
    Bis das Unvermeidliche geschah. Mitten im Sprung wurde das Tier wie von Titanenhänden gepackt und zur Seite getragen. Es wirbelte mit seinen Gliedern, als könne es Halt finden in der kochenden Luft, drehte sich im Sprung und - Matt spürte, wie sich Aruulas Griff um seine Hüften löste, wie sie gleichsam vom Rücken des Frekkeuschers gepflückt wurde.
    Wie im Reflex wandte er sich halb um, versuchte nach seiner Gefährtin zu greifen. Dabei ließ er die Zügel los, der Druck seiner Schenkel um den Leib des Tieres lockerte sich - und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher