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0152 - Der Tod aus der Urne

0152 - Der Tod aus der Urne

Titel: 0152 - Der Tod aus der Urne
Autoren: A.F. Morland
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eisengraues Haar, trug eine schwarze Brille - und wenn er eines Tages nicht mehr hierherkommen konnte, würde man ihn durch ein Tonband ersetzen, das die Trauermusik abspielte.
    Stumm starrte das Mädchen den schwarzen Sarg an.
    Lag ein Vorwurf in ihren meergrünen Augen?
    Sie war damit nicht einverstanden, daß sich ihr Vater auf diese Weise aus dem Staub gemacht hatte.
    Er hatte sie allein gelassen, und das ärgerte sie. Es war nicht nötig gewesen, die Welt zu verlassen. Abel Roosters Kraft und Vitalität hätten noch zwanzig Jahre vorgehalten.
    Er hatte sich davongeschlichen, ohne es Jill zu sagen, und das machte sie wütend. Nun stand sie allein im Leben, sie konnte mit niemanden mehr über ihre Probleme sprechen, würde an den kommenden langen Winterabenden niemanden mehr um sich haben.
    Sie fühlte, daß es lange Zeit dauern würde, bis sie sich an die Einsamkeit gewöhnt hatte.
    Einfühlsam spielte der Blinde auf dem Harmonium seine Trauerlieder.
    Seit fünfundzwanzig Jahren machte er das nun schon.
    Eigenartig, daß er heute von einem so seltsamen, unangenehmen Gefühl beschlichen wurde.
    Er hatte eine Gänsehaut.
    Eine rätselhafte Beklemmung hockte in seiner Brust. Sein Herz schlug unruhig. Irgend etwas machte ihm angst. Vielleicht der Tote im Sarg? Der Tod hatte für den Blinden nichts Schreckliches an sich. Es mußte ihn geben, damit neues Leben erblühen konnte. Und es mußte ihn geben, damit sich Leute wie er am Harmonium ein bißchen Geld verdienen konnten.
    Woher aber kam dieses unheimliche Gefühl, das dem Blinden die Seele fast erstickte?
    Langsam sank der Sarg in die Tiefe.
    Jill blickte der schwarzen Holzkiste so lange nach, bis sich der Boden, der auseinandergefahren war, darüber wieder zusammengeschoben hatte.
    Ein schwarzgekleideter Mann stand plötzlich neben ihr. Er kondolierte ihr.
    Sie wußte, daß er ein Angestellter des Krematoriums war.
    »Wann wird er verbrannt?« fragte Jill mit fester Stimme.
    »In wenigen Minuten.«
    »Ich möchte dabei zusehen!« sagte das Mädchen.
    Der Mann leckte sich die Lippen.
    Aus dem Munde eines Mädchens war ein solcher Wunsch reichlich ungewöhnlich. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Miß Rooster«, sagte er, während er Jill mit einem befremdeten Blick musterte.
    Sie nickte und ging mit ihm.
    Ein kleiner Fahrstuhl brachte sie zur Leichenverbrennungsanlage. Jill begegnete dem Sarg ihres Vaters wieder. Er stand auf einer metallenen Rollenstraße, die in den Verbrennungsofen führte.
    Kalter Marmor kleidete die Wände aus.
    »Hier entlang, Miß Rooster«, sagte der schwarzgekleidete Krematoriumsangestellte.
    Vor einer Glasfront blieb er stehen.
    Jill blickte ihn abwartend an. »Nun?« fragte sie eisig.
    »Es ist nicht immer ein schöner Anblick…«
    »Ich kann ihn ertragen!« behauptete das Mädchen mit schmalen Lippen.
    »Wie Sie meinen«, gab der Mann zurück.
    Er drückte auf einen roten Knopf. Der Ablauf der Verbrennung setzte ein. Aus Tausenden Düsen schlugen mit einemmal Flammen. Der Sarg fuhr in den Ofen.
    Die Flammen leckten über ihn, wurden länger, entwickelten eine unwahrscheinliche Hitze. Wie Zunder brannte der schwarze Brettersarg innerhalb weniger Augenblicke.
    Der Mann neben Jill zog sich diskret zurück.
    Jetzt zerbrach der brennende Sarg.
    Die Umrisse des Leichnams waren zu erkennen. Auf eine unheimliche Weise schien der Tote zu neuem Leben erwacht zu sein.
    Abel Roosters Körper bäumte sich in dieser enormen Hitze jäh auf. Sein Leib war von Flammen bedeckt.
    Sie tanzten über seinen ganzen Körper und fraßen sich gierig in ihn hinein.
    Plötzlich weiteten sich Jills Augen.
    Anscheinend übermittelten ihr die Flammen eine Botschaft aus der Hölle.
    Schaurige Szenen spielten sich in dem hochschlagenden Feuer ab. In wilder Aufeinanderfolge sah das Mädchen mehrere Morde, die alle von seinem Vater begangen wurden.
    Eine Zukunftsvision?
    Fast schien es so.
    Jill hielt den Atem an. Der Leib ihres Vaters fiel in sich zusammen. Langsam wurde der Leichnam zu Asche…
    Fünfzehn Minuten danach besprach Jill mit dem Angestellten des Krematoriums die Überführung der Urne. Den Mann überlief es kalt.
    So nüchtern wie dieses Mädchen hatte noch niemand mit ihm gesprochen. Ihr Vater war eben erst verbrannt worden. Gab es nichts, das ihn mit ihr verbunden hatte? O ja, es gab sogar mehr, als dieser Mann ahnen konnte.
    Sobald geregelt war, was geregelt werden mußte, verließ Jill das Krematorium.
    Sie war ganz in Schwarz gekleidet. Ein
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