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0138 - Der Höllensohn

0138 - Der Höllensohn

Titel: 0138 - Der Höllensohn
Autoren: Walter Appel
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»Auch der Sohn der Hölle oder der Karawanenfresser genannt?«
    Der Wirt wurde bleich unter seiner lederartigen Haut. Er schlug hastig ein Kreuzzeichen und rief gleich darauf den Propheten an.
    Vermutlich wußte er selbst nicht, welcher Religion er angehörte.
    »Bei der Jungfrau von Lourdes, bei Allah, diesen Namen dürfen Sie nicht nennen, Monsieur! Sonst kann es Ihnen passieren, daß Sie heute noch die Fata Morgana des Grauens sehen.«
    Zamorra wollte mehr herausbringen. Aber der Wirt, der zuvor auf einen Plausch aus gewesen war, hatte plötzlich eine Menge Arbeit.
    Er rannte fast hinaus. Immerhin ließ er die Flaschen und Gläser auf dem Tisch stehen.
    »Dieser Dschinn hat ihm ganz schön Angst eingejagt«, sagte Nicole. »Ob diese Fata Morgana eine dämonische Luftspiegelung ist?«
    »Bestimmt«, antwortete Zamorra. »Damit lockt der Dämon seine Opfer ins Verderben. In der Sahara liegt die Methode nahe.«
    Eine Fata Morgana war nichts anderes als ein Spiegelbild. Verschieden dichte Luftschichten, entstanden durch ungleiche Lufttemperaturen, konnten eine Oase, ein Gebäude oder einen Landschaftsteil reflektieren und dem noch weit entfernten Wüstenwanderer in der Luft erscheinen lassen.
    Er sah es meist unscharf und wie eine Vision. Seine überreizten Sinne mochten ihm noch weiteres vorgaukeln.
    Bill Fleming sah sich veranlaßt, sich über die Dschinns auszulassen. Dschinn hieß auf arabisch Dämon oder Geist. Die Dschinns konnten sowohl Gutes als auch Böses anrichten. Es gab sie in der Vorstellungswelt der Araber in unermeßlicher Zahl, sie lauerten überall. Meist um Unheil zu stiften.
    »An allem sind die Dschinns schuld«, schwadronierte Bill Fleming. »An einem platten Autoreifen genauso wie an einem gebrochenen Bein oder ernsterem Unheil. Salomon soll laut der Sage einmal zu einer einzigen Schlacht sechzig Millionen Dschinns aufgeboten haben.«
    Bill erklärte auch den Ursprung der Dschinns, den Glauben an sie hatte nicht einmal der Prophet Mohammed ausgerottet.
    »Die Dschinns sind die Kinder des löwengestaltigen Khalid und der Göttin Mahlid in Gestalt einer Wölfin. Entstanden bei einem gigantischen Zeugungsakt. In Tausendundeiner Nacht wird das Glied des Khalid als so lang beschrieben, daß ein rüstiger Wanderer es in zwanzig Jahren nicht abschreiten kann.«
    »Dieser Khalid muß gehörige Schwierigkeiten beim Treppensteigen haben«, bemerkte Zamorra trocken. »Dschafar al Kharum ist keineswegs eine harmlose Phantasiegestalt, da bin ich sicher. Schon seinen Namen zu nennen ist gefährlich, wie die Angst des Wirtes beweist. Also unterlassen wir es besser. In In Salah werden wir weitersehen, wenn wir uns von den Strapazen der Fahrt ausgeruht und Erkundigungen eingezogen haben.«
    »Wie willst du gegen den Dämon vorgehen, Zamorra?« fragte Bill Fleming.
    »Ich weiß es noch nicht. Mein magisches Amulett muß sich wieder einmal bewähren. Ich kenne den Ursprung des Karawanenfressers, und ich werde nicht ruhen, bis ich ihn vernichtet habe.«
    ***
    Die Sonne brannte auf Roger Marais nieder. Der Durst quälte ihn, und sein Kopf schmerzte zum Zerspringen. Doch mehr als die Qualen des Körpers peinigten Roger die der Seele. Er hatte Hadda verloren, seine Geliebte. Der Dämon Dschafar al Kharum hatte sie mit seiner dämonischen Fata Morgana ins Verderben gelockt.
    Roger hätte am liebsten Haddas Schicksal geteilt. Jetzt, da sie sich in der Gewalt des Sohns der Hölle befand, merkte er richtig, wie sehr er sie liebte. Roger hätte jederzeit sein Leben für Hadda bent Fatima hingegeben.
    Doch ihm war ein anderes Los zugedacht. Er hatte seit dem Vortag weder etwas gegessen noch getrunken. Er war zusammengeschlagen worden. Er hatte die Fata Morgana des Grauens erlebt und litt noch unter den Nachwehen. Und er wußte den Menschen, den er mehr liebte als alles andere auf der Welt, einem gräßlichen Schicksal ausgeliefert.
    Der heiße Sand verbrannte Rogers Haut. Die Hitze dörrte seinen Körper aus, bis er glaubte, sein Fleisch würde zu pulvrigem Zunder zerfallen. Die Hitze drang ihm bis ins Knochenmark.
    Als endlich die Sonne wie ein glutroter Ball hinter den Sanddünen unterging, war Roger Marais kaum noch bei Bewußtsein. Nach wenigen Minuten Dämmerung brach die Nacht herein. Die einsetzende Kühle der Nacht frischte den halb Verdursteten zunächst auf, doch bald fror er.
    Samtschwarz war der Nachthimmel, ohne einen Hauch von Dunst. Der Vollmond und das Kreuz des Südens prangten, unberührt von menschlicher
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