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0133 - Der Mumienfürst

0133 - Der Mumienfürst

Titel: 0133 - Der Mumienfürst
Autoren: Hans Joachim von Koblinski
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waren, hatte einen besonderen Grund: In die Universitätsklinik von Lima war ein uralter Indio eingeliefert worden. Er hatte sein ganzes Leben in den Bergen um Urubamba verbracht, vielleicht hundert Jahre, möglicherweise auch mehr. Er litt an hochgradiger Koronarsklerose und sollte in Lima behandelt werden. Padre Tomasio hatte dafür gesorgt, daß er mittels Armee-Hubschrauber aus Urubamba in die Hauptstadt gebracht wurde.
    In Lima geschah etwas Merkwürdiges. Die ihn behandelnden Ärzte hatten ihn schon aufgegeben, als sich eines Abends herausstellte, daß der Alte, der kaum noch laufen konnte und unter heftiger Atemnot litt, plötzlich aufgestanden und aus der Klinik spaziert war.
    Man fand ihn vor einer Statue Viracochas, des höchsten Gottes der Inkas. Seine körperliche Verfassung war erstaunlich, wie eine spätere Untersuchung ergab. Er schien nie an Koronarsklerose gelitten zu haben.
    Dafür schien sich sein Geist verwirrt zu haben. Er sprach von Yachay Huasi, vom Sonnengott, von lebenden Mumien, vom Dämon Pachacamac und höhlenartigen Tempeln. Professor Ruiz hörte davon, sprach mit dem alten Mann, der am Tag darauf friedlich starb.
    Ruiz und seine Tochter flogen zwei Tage später nach Anta, wo Düsenmaschinen landen konnten. Von hier bis Cuzco war es nicht mehr weit.
    »Yachay Huasi« - das hatte den Professor besonders interessiert. Wenn der Indio nicht phantasiert hatte, mußte es also auch in der Nähe von Urubamba eine »Frauenschule« gegeben haben. Wie in Macchu Pichu.
    Tagelang waren er und Inez in den Bergen umhergestreift, hatten jedoch nichts gefunden, dafür jedoch von den reitenden Mumien gehört. Zu sehen bekommen hatten sie sie nicht. Und nun schien sich Inez in der Gewalt dieser Dämonen - so stufte Ruiz die Mumien ein - zu befinden.
    Natürlich wußte er, daß es gute und böse Dämonen gab. Der Indio hatte den Namen Pachacamac genannt, der mit Viracocha identisch war und zu den guten Dämonen gerechnet wurde.
    Aber zu wem gehörten diese reitenden und auf so geheimnisvolle Weise leuchtenden Mumien? Was hatte es mit ihnen auf sich? Fragen, auf die Ruiz keine Antwort wußte. Er machte sich Sorgen um seine Tochter, darum hatte er Professor Zamorra gebeten zu kommen. Wenn einer helfen konnte, war er es.
    ***
    Inez Ruiz war von dem leichten Beben gerade in dem Moment überrascht worden, als sie zu ihrer Verblüffung den von Quadern eingefaßten Eingang einer Höhle entdeckt hatte.
    Erstaunt war sie, weil sie mit ihrem Vater schon mehrmals an der gleichen Stelle gewesen war. Und da hatte es diesen architektonisch schönen und mit Tiersymbolen verzierten Eingang nicht gegeben.
    Sie stand noch da und starrte auf die Quadern, die im hellen Mondlicht vor ihr leuchteten. Grünlich, als wären sie mit Phosphorfarbe angestrichen. Plötzlich spürte sie, wie sich der felsige Boden unter ihren Füßen zu bewegen begann. Sie hatte das Gefühl, nicht auf Stein zu stehen, sondern auf schwankendem Moor.
    Dann öffnete sich rings um sie die Erde. Breite gezackte Risse klafften, nach Schwefel stinkender Qualm drang aus ihnen hervor, hüllte sie ein.
    Inez Ruiz stand wie erstarrt, dachte sekundenlang an Lots Weib in der Bibel, wollte schreien, davonlaufen, doch es ging nicht. Es war, als wäre sie angewachsen, als hielten unsichtbare Händen ihre Füße fest.
    Sie verlor jegliches Zeitgefühl, stand nur da, bewegte sich nicht, versuchte, die übelriechenden Schwaden mit Blicken zu durchdringen.
    Dann sah sie die Reiter. Pferdewiehern kündigte ihr Kommen an, Hufgeklapper drang an die Ohren des Mädchens.
    Um sie herum wurde es jäh taghell. Sie versuchte, den Kopf zu heben, aber das gelang nicht. So konnte sie nicht sagen, woher das seltsame Licht kam. War es der Mond? Oder die Sonne? Fragen, die unbeantwortet blieben.
    Der erste Reiter erschien in ihrem Blickfeld. Er saß auf einem Schimmel, trug einen schwarzen Umhang. Arme und Hände, die die Zügel hielten, waren mumifiziert. Wie das Gesicht, in dem rote Augen glühten und das Mädchen zu durchbohren schienen. Vom rechten Unterkiefer sah man nur noch den Knochen, ein Stück der Nase fehlte. Und die anderen fünf Mumien sahen nicht viel besser aus. Schweigend trabten sie an ihr vorbei, verschwanden aus dem Lichtkreis. Als der letzte Reiter verschwunden war, erlosch das Licht. Inez befand sich in völliger Dunkelheit. Um sie herum bebten die Berge, wankte der Boden, doch es währte nur Sekunden.
    Madre de dios, dachte sie, was war das? Sie wollte Weggehen, es
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