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013 - Der Mann, der alles wußte

013 - Der Mann, der alles wußte

Titel: 013 - Der Mann, der alles wußte
Autoren: Edgar Wallace
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Begebenheiten verantwortlich zu fühlen.
    Auf der anderen Seite des Platzes gingen ein junger Mann und ein junges Mädchen langsam vorüber. Er war groß, blond und hübsch, zog aber das Interesse der Leute noch mehr auf sich, weil auch seine Begleiterin durch ihre Schönheit auffiel. An der Ecke der Tabor Street erregte ein kleiner, untersetzter Mann ihre Aufmerksamkeit, der mit geradezu starrem Blick nach der Unglücksstelle hinübersah. Erst dadurch kam ihnen zum Bewußtsein, daß auf der anderen Seite des Platzes etwas passiert sein mußte.
    Der kleine Herr trug einen schlechtsitzenden Cut. Seine Hose war zu lang und warf Falten über den Schuhen. Den Zylinder hatte er ins Genick geschoben.
    »Eine merkwürdige Erscheinung«, sagte Frank Merril.
    May Nuttall lächelte.
    Der Mann wandte sich um, als sie näher kamen. Sein sommersprossiges, glattrasiertes Gesicht sah sonderbar alt aus, und die große Goldbrille, über die er hinwegschaute, gab ihm ein noch seltsameres Aussehen. Er runzelte die Stirn und betrachtete die beiden jungen Leute.
    »Drüben ist ein Unglück passiert«, erklärte er dann ohne weitere Einleitung.
    »Ja, es sieht so aus«, entgegnete Frank Merril höflich.
    »Am Gray Square hat sich schon verschiedenes ereignet«, sagte der Alte nachdenklich. »1903 stürzte das Eckhaus ein, das dort drüben stand - vierzehn Leute fanden den Tod. Vier blieben lebenslänglich Krüppel, drei kamen mit leichteren Verletzungen davon.« Er sprach so ruhig, als ob es das Natürlichste von der Welt wäre, solche Informationen zu geben.
    »Ein anderes Unglück geschah am 15. Oktober 1909, als hier zwei Wagen zusammenstießen und ein Kutscher getötet wurde. Es war ein gewisser Samuel Green. Er wohnte Portington Mews Nr. 14 und hinterließ eine Frau und neun Kinder.«
    May sah den alten Mann erstaunt und etwas furchtsam an, aber Frank Merril lachte.
    »Sie haben aber ein ausgezeichnetes Gedächtnis für derartige Dinge. Wohnen Sie denn hier in der Gegend?«
    »O nein.« Der kleine Mann schüttelte heftig den Kopf und schwieg einen Augenblick. »Ich glaube, es ist besser«, sagte er dann plötzlich, »wenn wir einmal hinübergehen und uns umschauen, was los ist.«
    Es berührte Frank etwas sonderbar, daß sich dieser Fremde mit solcher Selbstverständlichkeit zu ihrem Führer aufwarf.
    »Hast du etwas dagegen?« wandte er sich an May.
    Sie verneinte, und die drei überquerten den Platz. Als der Krankenwagen ankam, erreichten sie die Gruppe gerade. Zu Merrils größtem Erstaunen grüßte der Polizist den kleinen Mann, den sie begleitet hatten.
    »Ich fürchte, es ist nichts mehr zu machen. Er ist tot.«
    »Ja, das sehe ich auch«, sagte der merkwürdige Herr. Er bückte sich, schlug den Rock des Mannes zurück und durchsuchte die inneren Taschen. Aber er fand nichts - sie waren leer. Mit außerordentlicher Geschicklichkeit setzte er seine Nachforschungen fort, und Frank Merril wunderte sich, daß der Polizist ihn nicht daran hinderte. Schließlich zog der sonderbare Mann einen zusammengefalteten Zeitungsausschnitt aus der linken oberen Westentasche des Toten.
    »Aha, eine Annonce aus dem ›Daily Telegraph‹ - ich habe sie auch gelesen. Offenbar ist der Tote ein Diener, der auf dem Weg war, sich eine neue Stellung zu suchen. Sehen Sie, hier steht es: ›Bewerber wollen sich um halb neun im Holborn-Viadukt-Hotel melden.‹ Er muß plötzlich erkrankt sein. Ich weiß, wer die Annonce eingesetzt hat: ein gewisser Mr. T. Burton, der eine Gummiplantage in Penang besitzt. Er hat die Tochter des Pfarrers George Smith von Scarborough zur Frau und vier Kinder. Eine Tochter ist in Winchester verheiratet - hm!«
    Er kniff die Lippen zusammen und sah auf den Toten nieder. Plötzlich wandte er sich an Mr. Merril.
    »Kennen Sie diesen Mann?«
    Frank schaute ihn verblüfft an.
    »Nein. Wie kommen Sie denn zu dieser Frage?«
    »Sie sahen ihn so merkwürdig an, und dadurch bin ich aufmerksam geworden. Sie haben nämlich nicht sein Gesicht betrachtet, und Leute, die Verunglückten oder Toten unter solchen Umständen nicht ins Gesicht sehen, kennen die Betreffenden gewöhnlich.«
    »Sonderbarerweise ist jemand hier, den ich kenne«, entgegnete Frank lächelnd und warf dem Polizisten Wiseman einen Blick zu.
    Der Beamte legte sofort die Hand an die Kappe, obwohl er in Zivil war.
    »Ja, ich habe Sie gleich wiedererkannt. In Weald Lodge habe ich Sie früher oft gesehen.«
    Die Unterhaltung brach ab, da der Tote auf eine Tragbahre gelegt und
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