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0121 - Ich suche Jerry Cotton

0121 - Ich suche Jerry Cotton

Titel: 0121 - Ich suche Jerry Cotton
Autoren: Heinz Werner Höber
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jetzt tot da hinten liegt. Ich glaube, nach einem solchen Anblick haben wir alle einen Whisky nötig.«
    »O ja, das ist eine gute Idee. Ich fühle mich elend…«
    Wir überquerten die Straße und betraten das kleine Lokal, wo Jerry und ich mit Marry Crossway das erste Mal gesprochen hatten. Damals, als wir wissen wollten, in welchen Beziehungen sie zu dem ermordeten Bill Rightword gestanden hatte. Und nun war sie selber tot.
    Wir stellten uns an die Theke, denn wir hatten ja nicht die Absicht, uns lange aufzuhalten. Immerhin ging es auf zehn Uhr abends, und wir hatten allesamt einen anstrengenden Tag hinter uns.
    »Drei Whisky«, sagte ich.
    Der Wirt stellte uns die Gläser hin.
    »Schon gehört, was hier passiert ist?« fragte er redselig.
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    Er beugte sich vor.
    »Gegenüber war eine Messerstecherei! Irgend so ein Verrückter hat ’ner Frau ein Messer in die Brust gerannt. Sie ist nicht transportfähig. Der Arzt kniet seit heute morgen neben ihr.«
    »So!« sagte ich nur. Ich hoffte, er würde sich von meiner abweisenden Tonart zurückweisen lassen, aber ich unterschätzte seine Gesprächsfreudigkeit.
    »Ja, im Emst!« nickte er wichtig. »Und wissen Sie was? Der Kerl, der es war, ist vorher hier bei mir im Lokal gewesen! Jawohl!«
    Er war richtig stolz darauf, daß er einen Mörder gesehen hatte. Sie können sich denken, daß ich bei seinem letzten Satz mobil wurde. Aber ich zeigte es ihm nicht. Solange es nicht nötig ist, soll man als Polizeibeamter nie Aufsehen erregen.
    »Wie sah der Kerl denn aus?« fragte ich gleichmütig.
    »Er muß noch ziemlich jung gewesen sein, vielleicht zwei- oder dreiundzwanzig. Hatte in der Oberlippe eine Hasenscharte. Sonst - na, wie so die Jungens von heute aussehen. Bürstenfrisur. Kurze Lederjacke. Den Typ können Sie an jeder Straßenecke treffen.«
    Ich wandte mich an Gray und raunte ihm zu:
    »Geh rüber und ruf das Archiv an. Sie sollen sofort sämtliche Bilder von Leuten mit einer Hasenscharte heraussuchen. Soviel können das nicht sein. Dann fahr hin und hol uns die Bilder.«
    »Okay, Phil.«
    Er drehte sich um und ging hinaus.
    »War er groß?« fragte ich.
    »Ungefähr wie Sie.«
    »Hm. Ich denke, wir setzen uns ein bißchen, einverstanden?« fragte ich den Doc. Bis Gray wieder da war, würde sicher eine Stunde, wenn nicht mehr vergangen sein.
    »Gern«, sagte der Doc. Und gleich als wir saßen, fuhr er aufgeregt fort: »Warum vernehmen Sie den Wirt nicht sofort? Wenn er den Mörder gesehen hat?«
    »Ich will den Wirt jetzt nicht durch zu viele Fragen verwirren. Gray ist zum Archiv gegangen. Er hat bereits über Sprechfunk gebeten, alle Bilder von Vorbestraften herauszusuchen, die eine Hasenscharte haben.«
    »Wenn der Mann aber nicht vorbestraft ist?«
    Ich schüttelte lächelnd den Kopf:
    »Der Kerl, Doc, der das da drüben getan hat, der ist vorbestraft, verlassen Sie sich drauf. Das war nicht die Arbeit eines Amateurs. Der hat so etwas schon öfter gemacht. Ich habe einen Blick dafür. Ich hab’s schließlich schon oft sehen müssen.«
    Der Doc sah mich groß an:
    »In ihrem Beruf kann einem manchmal der Appetit aufs Essen vergehen, was?«
    »Da haben Sie weiß Gott recht. Es gibt Zeitgenossen, die nur, weil sie aufrecht gehen, Menschen genannt werden können…«
    Wir unterhielten uns noch eine Weile, dann versickerte unser Gespräch langsam. Träge kroch der Zeiger meiner Uhr über das Zifferblatt. Wie immer, wenn man auf etwas wartet, wollte die Zeit nicht vergehen.
    Um halb zwölf erschien Gray wieder.
    »Da«, sagte er. »Sieben Bilder. Vier können wir gleich ausscheiden, denn dieser hier ist vor drei Monaten gestorben, und die anderen drei hier sitzen in verschiedenen Zuchthäusern. Es bleibt nur die Auswahl unter diesen drei Fotos.«
    Er schob sie in die Mitte des Tisches. Wir sahen sie uns an. Ich überlegte eine Weile, dann zog ich eines der Bilder weg.
    »Der sieht beim besten Willen nicht aus wie zwei- oder dreiundzwanzig«, erklärte ich. »Die beiden übrigen hier könnten so jung sein. Wir werden es mit einem einfachen Trick herauskriegen.«
    Ich forderte die anderen auf, ihr Glas auszutrinken, und rief den Wirt zu uns. Mitten auf dem Tisch lagen die Fotos der beiden, die in Frage kamen.
    Der Wirt kam heran:
    »Bitte, die Herren?«
    »Noch drei Whisky«, sagte ich.
    Er griff nach unseren leeren Gläsern. Dabei mußte er sich Vorbeugen. Natürlich war er neugierig und streifte die beiden Fotos mit einem kurzen
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