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0118 - Der Drachengott von Bali

0118 - Der Drachengott von Bali

Titel: 0118 - Der Drachengott von Bali
Autoren: Franc Helgath
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zurück.
    Er sah, daß sein Vater keine Luft mehr bekam. Seine weißen Lippen liefen blau an, dann auch das ganze Gesicht.
    Eigentlich ging alles ziemlich schnell über die Bühne. Der Alte brach vor den Füßen seines Sohnes zusammen. Man sah ihm an, daß er noch etwas sagen wollte, aber Kien LinYang schaute auf ihn hinunter wie auf einen Kadaver.
    »So ist das nun mal, Alterchen«, sagte er teilnahmslos. »Du hast dich verausgabt. Das sollte man nicht mehr in deinen Jahren. Gehe hin in Frieden und bestelle den Ahnen herzliche Grüße von mir.«
    Lun LinYang sagte auch jetzt noch nichts.
    Der Infarkt war schneller.
    Der junge Chinese nahm das zarte Handgelenk mit der welken Haut zwischen Daumen und Finger.
    Er lächelte, als er keinen Puls mehr spürte.
    Dann ging er ans Telefon und rief ein Bestattungsunternehmen an.
    Das beste in der Stadt.
    Er wollte die Leiche so schnell wie möglich aus dem Haus haben. Die Fernschreiben zerknüllte er und warf sie in den Papierkorb.
    ***
    Die Leute vom Bestattungsunternehmen arbeiteten schnell und diskret. Die Presse bekam keinen Wind vom Ableben des Nabobs. Früher oder später würden die Zeitungen es natürlich erfahren. Sicher. Doch bis dahin wollte Kien LinYang noch einiges erledigt wissen.
    Bevor er sich anschickte, mit den Mitteln seines Vaters in die Finanzwelt einzubrechen und dort wirklich mächtig zu werden, mußte noch ein weiterer dunkler Punkt bereinigt werden.
    Er war besudelt worden. Diese Hure hatte es gewagt, ihn ein fettes, ekliges Schwein zu nennen.
    Gab es dafür eine geringere Sühne als den Tod?
    Unbewußt schüttelte Kien LinYang den Kopf.
    Aurika Batak sollte sterben. Noch in dieser Nacht. Dann konnte er sein neues Leben beginnen.
    Er angelte nach dem Telefonbuch und fand dort auch die Adresse der Eurasierin heraus. Sie bewohnte ein Apartment in einem der Hochhäuser, die sie neuerdings im Stadtteil Sunter hochgezogen hatten.
    Kien LinYang überlegte. Es war nun zehn Uhr abends vorbei, und die Leute vom Bestattungsunternehmen hatten das Haus schon vor einer halben Stunde verlassen. Bis morgen würde niemand vom Tod seines Vaters erfahren. Also hatte er in dieser Nacht noch Zeit.
    Er wußte - es war gefährlich, was er nun vorhatte. Aber sein Entschluß stand fest.
    Vorsichtshalber wählte er noch Aurikas Nummer. Es klingelte ein paarmal bei ihr, bis sie endlich abhob.
    Zufrieden lächelnd legte Kien LinYang wieder auf. Sie war zu Hause. Mehr hatte er nicht wissen wollen.
    Er holte die Schriftrolle wieder aus der Schublade und sah sie durch. Eine bestimmte Stelle war ihm schon am Nachmittag aufgefallen. Die entsprechenden Mantras waren mit dem Wort »Flugzauber« überschrieben.
    Ob man danach wie ein Vogel fliegen konnte?
    Kien LinYang hatte es plötzlich sehr eilig. Er verzichtete darauf, die Zusatzkapitel zu lesen, weil er mit einem Male Angst bekam, Aurika Batak könnte ihre Wohnung verlassen und würde dann unauffindbar sein.
    In fliegender Hast leierte er die magischen Formeln herunter, wiederholte sie nach Vorschrift viermal und verneigte sich nach jeder Wiederholung in eine der vier Himmelsrichtungen.
    Den Wortsinn selbst nahm er kaum auf. Er wußte lediglich, daß man nach vollzogener Zeremonie angeblich fliegen konnte.
    Als er fertig war, setzte er sich in seinen Sessel und wartete ab, was geschehen würde. Würde er sich wieder so leicht fühlen, wie am späten Vormittag?
    Einige Bruchstücke der Formern gingen ihm nochmals durch den Kopf, und Kien LinYang mußte lächeln dabei.
    »Blut zu Blut, aus meinem Fleisch werde dein Fleisch. Ich, Sokor, empfehle mich nach deinem Willen. Du gibst, und ich gebe mich. Laß fließen die Schwingen, die breiten. Laß kommen mein Fleisch zu dir…«
    Das Lächeln gefror auf Kien Lin-Yangs Lippen, als er seine Hände betrachtete.
    Kein Gefühl der Leichtigkeit und des Schwebens. Eher ein Zucken und Vibrieren all seiner Nerven. Seine weiche, weiße Haut wurde bräunlich. Dann begannen kurze, weiche Haare auf seinen Armen zu wachsen. Die Hand wuchs in die Breite, wurde größer und größer, bis die Finger zu einer Länge von fast einem Meter angewachsen waren. Spitze Krallen dort, wo er seine manikürten Nägel gehabt hatte. Zwischen diesen riesigen Fingern spannte sich ledrige Haut.
    Es dauerte Sekunden, bis Kien LinYang die Ähnlichkeit mit den Flügeln von Fledermäusen erkannte. Er wollte schreien und brachte doch nur ein heiseres Krächzen zustande.
    Hilflos schlug er mit den Armen. Die Flügel wehten
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