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0107 - Die Hand des Hexers

0107 - Die Hand des Hexers

Titel: 0107 - Die Hand des Hexers
Autoren: A.F. Morland
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Brüder. Sie ist keines von diesen krummnasigen, spitzkinnigen, hängelippigen, schiefzähnigen, rauchfingrigen Weibern, die man so leicht als Hexen erkennen kann - und doch ist auch sie eine gemeine, hinterhältige Hexe. Auch sie stiftet Übel, wo sie kann. Bildzauber, Nestelhüpfen, Wetterzauber, das Unfruchtbarmachen von Acker, Vieh und Menschen, nichts ist ihr fremd…«
    »Das ist nicht wahr! Das stimmt alles nicht! Das ist alles gelogen!« schrie Flo in grenzenloser Verzweiflung.
    Starre Gesichter waren ihr zugewandt.
    Von denen war kein Verständnis zu erwarten.
    »Das Böse zwingt sie zu leugnen!« behauptete der Richter.
    »Es ist die Wahrheit! Ich bin keine Hexe!«
    »Sie ist zutiefst besessen!«
    »Ich bin rein!« kreischte Flo. »Reiner als ihr alle!«
    »Du hast an keiner Synagoga satanica teilgenommen?«
    »Ich weiß überhaupt nicht, was das ist!«
    »Es nützt dir nichts, dich dumm zu stellen!« fuhr der Richter das Mädchen schroff an. »Es ist erwiesen, daß du nicht nur an einer Synagoga satanica - man kann es auch Hexensabbat nennen - teilgenommen hast, sondern an deren vier, und zwar am zweiten Feber: zu Candlemas, am ersten Mai: zu Roodmas, am ersten August: zu Lammas und am ersten November: zu All Hallow E’en! Sei geständig, Flo Danning!«
    Das Mädchen schüttelte schluchzend den Kopf. »Warum glaubt ihr mir denn nicht? Ich bin keine Hexe. Ich habe an keinem Hexensabbat teilgenommen…«
    »Man hat dich aber gesehen!«
    »Das ist unmöglich.«
    »Man hat dich sogar beim osculum infame beobachtet, so nennt man den Kuß der Hexe auf das Gesäß des Vorsitzenden Teufels, wie du weißt…«
    »Ein Irrtum, da muß ein ganz schrecklicher Irrtum vorliegen!« ächzte das Mädchen. Sie begriff diese furchtbaren Anschuldigungen nicht. Niemals hatte sie diese abscheulichen Dinge getan, die ihr der Inquisitionsrichter vorwarf.
    Der Richter begann, sie zu beschimpfen: »Hagelanne! Schauerbrüterin! Mantelfahrerin! Wirst du wohl endlich ein Geständnis ablegen?«
    »Ich bin unschuldig!« schluchzte das Mädchen.
    »Ich mache dich darauf aufmerksam, daß nach der gütlichen die peinliche Befragung kommt. Du könntest sie dir ersparen! Du brauchst nur zu bestätigen, was ich dir vorgeworfen habe!«
    »Das kann ich nicht! Ich kann keine Schuld auf mich nehmen, die mir nicht zusteht!«
    Der Richter trat zwei Schritte zurück. Wütend rief er: »Los, zeigt ihr die Daumenschrauben, den Hexenstuhl, die glühenden Zangen, die Streckbank, das Rad, auf das sie geflochten wird!«
    Man brachte die grauenvollen Folterwerkzeuge.
    Ihr Anblick allein raubte dem Mädchen beinahe erneut die Besinnung.
    »Gestehst du nun endlich?« fragte der Inquisitionsrichter sie anschließend noch einmal schneidend.
    Flo schüttelte ganz langsam den Kopf. »Ich kann nicht. Ich kann es nicht…«
    »Nun gut, dann werden wir die Wahrheit mit der peinlichen Befragung aus dir herausholen!«
    ***
    Die Folterknechte stellten schreckliche Dinge mit dem bedauernswerten Mädchen an. Flo schrie ihren Schmerz laut zur rußgeschwärzten Decke hinauf, doch keiner hatte Mitleid mit ihr. Sie alle, die sich hier versammelt hatten, hielten Flo für eine störrische Hexe, die mit der Wahrheit nicht herausrücken wollte, und so war es eben unumgänglich, dem unvernünftigen Mädchen das Geständnis mit den Folterwerkzeugen abzupressen.
    Der Richter ließ die grausame Tortur immer wieder unterbrechen.
    In den kurzen Pausen beugte er sich über Flo, um ihr die stets gleichlautenden Anschuldigungen an den Kopf zu werfen.
    »Gestehe!« brüllte er sie an. »Gestehe endlich!«
    Doch Flo Danning gestand nicht.
    »Macht weiter!« rief daraufhin der Richter den Knechten zu, und sie setzten ihre fürchterliche Arbeit fort.
    Als die Schmerzen das Maß der Unerträglichkeit überschritten, wurde Flo Danning ohnmächtig.
    Man wartete, bis sie wieder zu sich kam, und fuhr mit der peinlichen Befragung dann fort.
    Flos Augen waren leergeweint.
    Es waren keine Tränen mehr in ihnen. Sie verfiel in eine tiefe Apathie, aus der sie nur hochschreckte, wenn ein Schmerz besonders schlimm war.
    Als die Folter zu Ende war, beugte sich der Richter abermals über das Mädchen. »Nun? Bleibst du dabei, keine Hexe zu sein?«
    »Ja«, hauchte Flo mit dünner, kaum hörbarer Stimme. »Ja, ich bleibe dabei.«
    Der Richter wies triumphierend auf Flos tränenlose Augen. »Seht ihr, Brüder? Seht ihr’s? Sie trägt das Stigma diaboli, das Teufelsmal. Ihr Unvermögen, Tränen zu
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