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0107 - Die Geier und der Wertiger

0107 - Die Geier und der Wertiger

Titel: 0107 - Die Geier und der Wertiger
Autoren: Friedrich Tenkrat
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angewidert zu Boden. Ungläubig starrte er mich an.
    Er hatte nicht mehr damit gerechnet, gerettet zu werden. Er hatte bereits mit seinem Leben abgeschlossen.
    Ich mußte ihm wie ein fleischgewordener Schutzengel vorkommen. Er war so erschöpft, daß er sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte.
    »Sind Sie McClure oder van Dyke?« wollte ich wissen.
    »McClure, aber woher…«
    »Ich heiße Sinclair. John Sinclair«, sagte ich, während ich die Höllenpflanzen nicht aus den Augen ließ.
    Sie waren unschlüssig, ob sie erneut angreifen sollten. Ihr Vormarsch war vorübergehend gestoppt.
    Aber möglicherweise braute sich im Hintergrund etwas zusammen, von dem ich keine Ahnung hatte, deshalb stand ich mit gezücktem Dolch da und wartete auf die nächste Attacke.
    »Wieso kennen Sie meinen Namen?« fragte Harald McClure.
    Ich erzählte ihm in Schlagworten von Donna Varese, die das Gespräch der beiden Ritualforscher unfreiwillig im Restaurant des »Taj Mahal« mitgehört hatte.
    Ich erwähnte auch den Grund meines Aufenthalts in Bombay.
    McClure starrte mich wie einen Wunderknaben an. »Wie ist es Ihnen gelungen, die schwarzmagischen Sperren zu durchbrechen?«
    Ich zeigte ihm mein Kreuz, das ich mir wieder umgehängt hatte, um es nicht zu verlieren.
    »Damit kann ich die Kraft des Bösen entweder auflösen oder zumindest schwächen. Kommt darauf an, wie konzentriert sie auftritt. Wo ist William van Dyke?«
    McClure senkte traurig den Blick.
    »Lebt Ihr Freund nicht mehr?« fragte ich erschrocken.
    »Doch, Mr. Sinclair. Er lebt noch. Aber wie…«
    »Was heißt das: Aber wie?«
    »Er geriet in den Bann des Bösen«, berichtete McClure. Er sprach von jener unheimlichen Blume, deren schwarzmagischer Kraft van Dyke zum Opfer gefallen war. »Er ist verloren«, sagte der Ritualforscher bedauernd. »Er gehört auf die andere Seite. Malagu ist sein Herr.«
    Malagu!
    Ich dachte an den klapperigen Greis, der mir leidgetan und den ich im Jeep mitgenommen hatte.
    Der Alte wäre mir beinahe zum Verhängnis geworden.
    »Ist Malagu hier?« fragte ich den Rothaarigen sofort.
    McClure nickte. »Er liegt reglos auf einem Totenrost und wird von Geiern bewacht.«
    »Ich muß ihn sehen.«
    »Er wird Sie nicht an sich heranlassen, Sinclair. Riesenvögel und Pflanzen unterstehen seinem Befehl. Ich habe den Eindruck, daß er nicht nur in diesem Todeskessel der unumschränkte Herrscher ist.«
    »Um so mehr muß ich ihn sehen.«
    »Er wird Sie töten!«
    »Nein, McClure. Umgekehrt: ich werde ihn töten. Er ist ein Handlanger der Hölle, ein Monster.«
    »Wäre es nicht vernünftiger, das Feld zu räumen, solange das noch möglich ist, Mr. Sinclair?«
    »Gehen Sie ruhig, McClure.«
    »Ich lasse Sie doch nicht allein.«
    »Verlassen Sie das Höhlenkloster…«
    »Wenn, dann nur mit Ihnen.«
    »Ich komme nach.«
    »Dann bleibe ich eben auch!« entschied Harald McClure. Im selben Moment stieß er einen Warnschrei aus. »Sinclair!«
    Ich hatte den Angriff sofort bemerkt. Struppige Farne zuckten auf mich zu. Ihr verästeltes Blattwerk knisterte elektrisch. Vermutlich hätte mich bei einer flüchtigen Berührung ein Stromschlag niedergestreckt und gelähmt, und dann wären die anderen fleischfressenden Pflanzen gierig über mich hergefallen.
    Ich sah, wie sie auf der Lauer lagen.
    Doch ich wollte keine Nahrung für sie sein.
    Mit einem weiten Satz sprang ich zur Seite. Die Farne flitzten an mir vorbei und klatschten gegen die glatte Kesselwand.
    Ich wirbelte herum und stieß mehrmals mit dem geweihten Silberdolch zu. Die Farne knickten und verfaulten innerhalb weniger Sekunden.
    Das ließ die anderen Pflanzen vor Wut erzittern. Als ich mich ihnen zuwandte, krochen sie langsam zurück.
    Sie bildeten eine breite Gasse.
    »Wo finde ich Malagu?« wollte ich von Harald McClure wissen.
    Er wies in die Richtung, in die ich gehen mußte, und sagte: »Ich zeige Ihnen den Totenturm.«
    ***
    McKammit flog mit kräftigen Flügelschlägen. Er merkte, daß sich das Menschenbündel, das er mit seinen Fängen festhielt, bewegte.
    Donna Varese kam zu sich.
    Der unheimliche Geier krächzte vor Vergnügen.
    Donna öffnete die Augen und erschrak. Sie hing zwischen Himmel und Erde in den Krallen eines Geiers.
    Sie hatte panische Angst davor, daß der Raubvogel sie losließ.
    Einen Sturz aus dieser Höhe konnte kein Mensch überleben.
    Die hübsche Römerin machte Schreckliches mit. Sie wagte nicht, nach unten zu sehen.
    Ihr war, als wäre sie in einen schlimmen
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