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0107 - Die Geier und der Wertiger

0107 - Die Geier und der Wertiger

Titel: 0107 - Die Geier und der Wertiger
Autoren: Friedrich Tenkrat
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erreichen, doch Mandra machte Urlaub. Ausgerechnet in Amerika, was wirklich weit vom Schuß lag.
    Und ich mußte auf Suko verzichten. Der Chinese laborierte in London an einem schmerzhaften Muskelriß, den er sich beim Karate-Training zugezogen hatte. Suko wurde von seiner Freundin Shao gepflegt, und ich konnte mir vorstellen, wie sehr er diese Pflege genoß.
    Tja, wie kommt ein Oberinspektor von Scotland Yard nach Bombay? Nun, das ist rasch erklärt.
    In letzter Zeit trieb in dieser 5,5-Millionen-Einwohner-Stadt ein Wertiger sein Unwesen.
    Er war an verschiedenen Orten aufgetaucht, hatte die Leute zu Tode erschreckt und bereits ein Opfer gerissen.
    Deshalb hatten die indischen Behörden sich mit den englischen Behörden in Verbindung gesetzt und auf höchster Ebene um Amtshilfe gebeten.
    Daraufhin hatte mich mein Vorgesetzter, Superintendent Sir Powell, in sein Büro gebeten, mir den Sachverhalt erklärt und anschließend lakonisch gesagt: »Ich möchte, daß Sie sich darum kümmern, John.«
    »In Ordnung, Sir. Wann soll ich fliegen?«
    »Noch heute. Ich lasse sofort Ihr Ticket reservieren.«
    »Okay.«
    Sir Powell hatte sich erhoben und mir – was absolut nicht die Regel war – die Hand gereicht.
    »Ich wünsche Ihnen viel Glück, John.«
    »Danke, Sir.«
    »Vertreten Sie Scotland Yard erfolgreich.«
    »Ich werde mir die größte Mühe geben.«
    Nach diesem kurzen Gespräch hatte ich mein Büro aufgesucht, um ganz schnell reinen Tisch zu machen.
    Was nicht so dringend war, schloß ich in den Schrank ein. Was wichtig war, übergab ich meiner Sekretärin Glenda Perkins zur Erledigung.
    Das hübsche schwarzhaarige Mädchen, bei dem ich einen großen Stein im Brett habe, beobachtete mich bei meiner hektischen Aktivität.
    »Das sieht ja beinahe nach Flucht aus, John.«
    »Ach wo. Der Chef hat mir nur soeben meinen Resturlaub von 1975 bewilligt, und den trete ich jetzt sofort an, damit er es sich nicht noch mal anders überlegen kann.«
    Glenda lachte. »Von wegen Urlaub. Er hat Ihnen einen neuen Fall übertragen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Na hören Sie, ich kenne doch unseren Alten. Darf man fragen, was läuft?«
    »Ein Wertiger läuft in Bombay herum.«
    Glenda wurde ernst. »Sehen Sie sich vor, John!«
    »Seien Sie unbesorgt. Ich habe nicht die Absicht, mich von dieser Bestie zerfleischen zu lassen«, erwiderte ich, hauchte dem Mädchen einen freundschaftlichen Kuß auf die Stirn und verließ mein Büro.
    Und nun irrte ich schon seit zwei Tagen durch Bombay, ohne bisher die Spur des Wertigers gefunden zu haben.
    Ich hatte mit mehreren Menschen über die Bestie zu sprechen versucht, doch man hatte auf meine Fragen zumeist nur mit hartnäckigem Schweigen reagiert.
    Die Leute hatten Angst.
    Ich konnte das verstehen.
    Im Zuge meiner Recherchen war mir zu Ohren gekommen, daß in der vergangenen Nacht zwei britische Seeleute eine unheimliche Begegnung mit dem Monster gehabt hatten.
    Ich hoffte, daß meine Landsleute nicht ebenfalls verstockt schwiegen, sondern den Mund aufmachten und mit mir über ihre Wahrnehmung und ihr Erlebnis reden würden.
    Ihr Schiff hieß MONA LISA.
    Es verdiente diesen Namen jedoch nicht, denn es war ein häßlicher alter Kahn, der vom Rost schon ziemlich angeknabbert und sehr bald reif fürs Verschrotten war.
    Irgend jemand von der Versicherung war nicht bereit gewesen, die MONA LISA unter Vertrag zu nehmen, deshalb lag der Kahn nun schon seit zwei Wochen im Hafen von Bombay und durfte nicht auslaufen.
    Der Versicherungsagent hatte einige Reparaturen zur Bedingung gemacht, ehe es zwischen seiner Gesellschaft und dem Eigner des Schiffes zu einem Abschluß kommen konnte.
    Die Reparaturen aber waren teuer, und das Geld dafür war noch nicht vorhanden. Angeblich mußte es erst in England aufgetrieben werden.
    Doch welche Bank gibt schon gern Geld für einen Seelenverkäufer wie die MONA LISA? Wo das Schiff doch ein hoffnungsloser Fall und ohnedies kaum noch zu retten war.
    Während über ihre Köpfe hinweg verhandelt wurde, waren Abel Grogger und George McKammit gezwungen, in Bombay zu bleiben, obwohl sie der Stadt gern – nach ihrem gestrigen nächtlichen Erlebnis – den Rücken gekehrt hätten.
    Ich traf die beiden bärtigen Gesellen an Bord ihres Schiffes. Sie wirkten verängstigt, nervös und waren nicht ausgeschlafen.
    Ich hatte nicht erwartet, daß sie mich gleich in ihr Herz schließen würden, aber die Reserviertheit, mit der sie mir begegneten, obwohl ich mich ausgewiesen hatte,
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