Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett

0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett

Titel: 0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett
Autoren: Paul Ernst Fackenheim
Vom Netzwerk:
ich keine Ausnahme bilde.
    »Gewiss, Mr. Rodriguez, aber dazu muss ich vor allem wissen, warum Ihre Tochter überhaupt in die Stadt gefahren ist. Sie muss doch einen Grund dazu gehabt haben.«
    »Kommen Sie herein«, forderte er mich sichtlich widerwillig auf.
    Er bot mir einen Stuhl an, blieb aber stehen, genauso wie seine Frau.
    »Ich weiß nicht, was sie dort wollte. Sie hat es uns nicht gesagt. Carmen hatte vierzehn Tage Ferien und bestand gegen unsere Warnung darauf, dorthin zu fahren.«
    »Wollte sie jemanden besuchen, vielleicht einen Freund?«, bohrte ich.
    »Carmen war ein anständiges Mädchen. Sie würde niemals hinter unserem Rücken Freundschaften mit New Yorker Männern schließen. Was kann denn bei Ihrem Gefrage anderes herauskommen als ein Skandal. Sie werden es den Zeitungsleuten erzählen, und unser anständiger Name und unser Ruf werden beschmutzt werden. Wir wollen nicht durch die Spalten der Zeitungen geschleift werden. Wir haben genug davon.«
    »Ich verspreche Ihnen, dass nichts von dem, was Sie mir sagen, veröffentlicht wird. Es ist ja auch in den New Yorker Blättern bisher nur eine kurze Notiz erschienen. Hat man vielleicht hier eine große Sache daraus gemacht?«
    Ich konnte mir die ablehnende Haltung des Ehepaars nur dadurch erklären, dass vielleicht ein Lokalblättchen die ganze Affäre aufgebauscht hatte.
    »Nein. Ich habe den Besitzer des ›Mendota Courant‹ darum gebeten, überhaupt nichts zu schreiben. Wir haben durch eine Todesanzeige bekannt gemacht, dass Carmen plötzlich verstorben ist. Wir haben unser totes Kind hierher bringen lassen, und es wird morgen begraben. Bitte, nehmen Sie Rücksicht auf unsere Gefühle und gehen Sie jetzt wirklich.«
    Diese Scheu vor der Öffentlichkeit konnte einfach einer kleinstädtischen Gesinnung entspringen, es konnte aber auch etwas anderes dahinter stecken.
    »Stand denn Ihre Tochter schon einmal im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses?«
    Die Frau begann leise zu weinen, und Carlos Rodriguez setzte ein steinernes Gesicht auf.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, knurrte er gereizt. Gleich würde er mich gewaltsam vor die Tür setzen. In diesem Augenblick kam ein junges Mädchen herein.
    Ich erkannte sofort, dass sie Carmens Schwester sein müsse. Sie war ihre jüngere Ausgabe.
    »Geh wieder in die Küche, Maria«, befahl ihr Vater. »Diese Unterhaltung ist nichts für dich.«
    Es schien zuerst, als wollte sie gehorchen, dann aber schüttelte sie in plötzlichem Entschluss den Kopf. Offensichtlich fürchtete sie sich davor, den Anordnungen ihres Vaters zu trotzen, und wenn sie das tat, so musste sie einen sehr triftigen Grund haben.
    »Miss Rodriguez, Sie wollen mir doch etwas sagen«, ermunterte ich sie.
    »Du tust sofort, was ich dir befohlen habe, und Sie machen, dass Sie weiterkommen.« Mr. Rodriguez’ Schnurrbarthaare sträubten sich vor Zorn. Er machte einen Schritt auf das Mädchen zu, und seine Hand hob sich. Ich schob mich dazwischen.
    »Lassen Sie den Unsinn, Mr. Rodriguez. Sie haben aus meinem Ausweis gesehen, dass ich ein G-man bin, und wenn Sie es darauf ankommen lassen wollen, so werde ich Mittel und Wege finden, um Sie dazu zu bringen, die Wahrheit zu sagen. Ihre Tochter hat viel mehr gesunden Menschenverstand als Sie.«
    Maria hatte es bestimmt noch niemals erlebt, dass es jemand wagte, ihrem Vater so entgegenzutreten, und sie schien aus meinem energischen Ton Mut zu schöpfen.
    »Carmen wollte in New York eine Freundin besuchen. Wen, weiß ich nicht. Sie hat es nicht gesagt, Papa und Mama wollen etwas vertuschen, was des Vertuschens nicht wert ist. Ich jedenfalls wünsche von ganzem Herzen, dass Carmens Mörder gefasst wird, und ich will alles tun, im Ihnen zu helfen«, sprudelte sie heraus.
    »Das ist sehr lobenswert von Ihnen. Wenn Sie etwas wissen, was mich auf die Spur des Mörders bringen könnte, so sagen Sie das.«
    »Ich glaube nicht, dass es etwas damit zu tun hat. Aber Carmen hatte früher einmal eine Freundin, und diese Freundin kam in große Schwierigkeiten. Das ist schon mehr als fünf Jahre her, und ich war damals noch ein Kind. Niemand wollte mir etwas sagen, aber ich weiß dass die Freundin eines Tages spurlos verschwunden war und Carmen zweimal von einem Detektiv über sie ausgefragt wurde.«
    »Und worum ging es dabei?«
    »Ich weiß es nicht. Jeder weigerte sich, darüber zu sprechen. Papa und Mama waren sehr niedergeschlagen und ich erinnere mich, dass Carmen in dieser Zeit viel weinte.«
    »Was war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher