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010 - Die Bestie mit den Bluthänden

010 - Die Bestie mit den Bluthänden

Titel: 010 - Die Bestie mit den Bluthänden
Autoren: Larry Brent
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sein altes Ich. Es war ausgelöscht und
vergessen – für immer.
    Jetzt zählte nur die Gegenwart.
    Wie ein Wolf, der hungrig auf der Suche nach Beute durch die Wälder schlich,
so verhielt er sich.
    Töten!
    Er musste töten.
    Er hatte es immer getan. Schon vor einem halben Jahrtausend.
    Die milde Nacht war wie geschaffen dazu, seine Wünsche zu erfüllen.
    Aber die Welt hatte sich verändert. Das war ihm nicht entgangen. Sie sah anders
aus als damals. Berge, dichter Urwald, die heiligen Gesänge in und vor den
Tempeln, die Schreie der Gefangenen, wenn sie zu Hunderten, zu Tausenden durch
die Straßen und über die Plätze getrieben wurden, um den blutgierigen Göttern
als Opfergabe dargebracht zu werden.
    Nun war alles viel schwieriger geworden.
    Nur nachts konnte er sich auf die Suche nach neuen Opfern begeben. Er fuhr
plötzlich zusammen, und sein muskulöser Körper spannte sich. Da war etwas!
Lauschend hielt er den Atem an, und warm und zufrieden empfand er wieder sein
ureigenes Gefühl, das ihn bis in die letzten Enden seiner Nerven erfüllte.
    Die dunkle Gestalt, die durch den nächtlichen Wald streifte, witterte die
Nähe des Opfers.
    Die Blutbestie in ihm erwachte mit aller Kraft!
    Sie war jung und hübsch, grazil, eine flinke Gestalt, so wie er sie liebte.
    Seine Augen glühten, und sein bleiches, angespanntes Gesicht verzerrte
sich. Er stand hinter einem Baum in der Nähe der kleinen steinernen Brücke, die
über den gurgelnden Bach führte.
    Seine Hände schlossen und öffneten sich, eine seltsame Erregung packte ihn
und berauschte seine Sinne.
    Die Nacht war mild und sternenklar. Kein Lüftchen regte sich in den Gräsern
und den Wipfeln.
    Wie eine düstere, undurchdringliche Wand spannte sich der dunkle Wald vor
ihm.
    Doch er sah nur die helle Gestalt, die sich ihm näherte und ein helles,
luftiges Kleid trug. Das Sternenlicht schimmerte auf dem Ansatz der kleinen
Brüste, auf den nackten gebräunten Armen.
    Ihre leichten Schritte näherten sich, die hohen Absätze der Schuhe
klapperten auf dem grauen Asphaltboden. Die schmale Straße führte schräg an der
kleinen Brücke vorbei, die gerade so breit war, dass man einen Handkarren
darüberfahren konnte.
    Der Mann hinter dem Baumstamm hielt den Atem an. Wie in Trance griff er
nach dem langen Messer, das in seiner linken Rocktasche steckte.
    Die junge Französin, die sich der Brücke näherte, ahnte nichts von der
tödlichen Gefahr, die auf sie lauerte.
    Brigitte Latour war zweiundzwanzig Jahre alt. Sie dachte an alles Mögliche,
nur nicht daran, dass ihr Leben schon zu Ende sein könnte. Der neue Bikini fiel
ihr ein, den sie sich gestern aus der Stadt mitgebracht hatte. Wie gut er ihr
stand! Die Burschen im Dorf würden Augen machen, wenn sie ihn zum ersten Mal
trug. Es war das knappste Kleidungsstück, das sie jemals besessen hatte.
    Diese Gedanken nahm sie mit ins Grab.
    Sie hatte die Brücke erreicht, als die schattengleiche Gestalt wie aus dem
Boden gewachsen vor ihr stand.
    Brigitte Latour kam nicht mehr dazu zu schreien.
    Das lange, spitze Messer, das im Sternenlicht blitzte, drang in ihr Herz.
Es war ein Skalpell, wie es Ärzte benutzten. Die dunklen Augen der jungen
Französin weiteten sich vor Entsetzen. Sie stand sekundenlang unbeweglich da.
Bevor sie zu Boden fiel, durchschnitt der unheimliche Mörder ihr mit einer
einzigen Bewegung die Kehle.
     
    ●
     
    00.23 Uhr.
    Im Haus des Privatgelehrten Henri Blandeau ging das Licht an. Der einsam
lebende Franzose hielt sich seit über fünfundzwanzig Jahren in der Bretagne
auf. In der Nähe von Rostrenen hatte er seinerzeit ein altes Gehöft gekauft,
das nach seinen eigenen Plänen umgebaut worden war.
    Das Innere des Hauses glich mehr einem Museum als einer Wohnung. Die Räume
waren beladen mit seltenen Skulpturen, Masken, Bildern, Fetischen, Vasen und
Steinfiguren aus dem alten Inka- und Aztekenreich. Blandeau hatte mehr als zehn
Jahre seines Lebens als Abenteurer in Mexiko verbracht und seine Privatstudien
vorangetrieben. Es gab kaum jemanden unter den Altertumsforschern, dessen
Wissen so weit reichte wie das seine.
    Henri Blandeau hatte ein Werk über das Leben der Inkas und Azteken
verfasst, das niemals veröffentlicht worden war. Das Manuskript – über
zweitausend Seiten stark – lag eingeschlossen in einem Fach des schweren
handgeschnitzten Schreibtisches, einer kostbaren Arbeit aus dem frühen 13.
Jahrhundert. Alles in diesem Haus war alt, selten, kostbar – und
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