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01 - Tage der Sehnsucht

01 - Tage der Sehnsucht

Titel: 01 - Tage der Sehnsucht
Autoren: Marion Chesney
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die er je gesehen hatte, die Tür
öffnete. Danach verschwamm alles im Nebel. Und jetzt saß die bildhübsche Frau
an seinem Bett. Roderick Sinclair blinzelte und schaute wieder zu ihr hin. Es
war kaum zu glauben, dass sie ein Wesen aus Fleisch und Blut war.
    Fiona Sinclair war
eine blendende Erscheinung. Sie stammte aus Schottland und hatte eine zarte
Haut und dichtes schwarzes Haar, das bläulich schimmerte. Ihre großen grauen
Augen wurden von dichten Wimpern umsäumt. Fiona trug ein altmodisches Kleid,
bei dem die Taille in der Mitte war, während die jetzige Mode vorschrieb, dass
sie sich nicht sehr weit von den Achselhöhlen entfernt befand. Fiona hatte eine
schlanke Figur und einen vollkommenen Busen.
    »Wie bin ich nur
ins Bett gelangt?« fragte Mr. Sinclair, weil ihm das als erstes in den Sinn
kam.
    »Sie sind
umgefallen«, erwiderte Fiona ruhig. »Ich habe Sie zu Bett gebracht.«
    Mr. Sinclair
befühlte seinen stattlichen Körper und merkte, dass er nur sein schmutziges
Nachthemd trug. Er errötete zum ersten Mal seit Jahren. »Du musst ein kräftiges
Rückgrat haben, dass, es dir gelungen ist, einen stämmigen Kerl wie mich
hochzuheben«, sagte er, bemüht, seine Stimme möglichst herzlich und wie die
eines guten Onkels klingen zu lassen.
    Fiona saß ruhig da
und hatte die Hände in den Schoß gelegt.
    Wie schön sie ist,
dachte Mr. Sinclair. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. »Es
wundert mich, dass ein Mädchen wie du unbehelligt hierher gelangen konnte, ohne
dass sich alle Burschen Edinburghs an deine Fersen geheftet haben.«
    »Ich habe die
Kapuze meines Mantels tief ins Gesicht gezogen«, erklärte Fiona. »Ihr Bruder
hat mir gesagt, dass ich so hässlich sei, dass mich die Leute anstarren würden,
und das mag ich nicht.«
    »Du bist die
schönste Frau, die ich je gesehen habe«, sagte Mr. Sinclair unverblümt. »Jamie
wollte dich anscheinend mit niemand teilen.«
    Fiona runzelte
leicht die Stirn, was deren Makellosigkeit beeinträchtigte.
    »Ist ja auch egal«,
fuhr Mr. Sinclair fort. »Ich habe eine Privatsache zu erledigen. Warum kehrst du
nicht ins Haus meines Bruders zurück?«
    »Das geht nicht«,
erwiderte Fiona. »Das Haus fiel an ein Waisenhaus, und ich wurde auf die Straße
gesetzt.«
    »Das ist doch nicht
möglich«, sagte Mr. Sinclair wütend. »Die Beerdigung findet ja erst morgen
statt.«
     »Ihr Bruder
informierte das Waisenhaus, dass ihm das Gebäude unmittelbar nach seinem
Ableben gehöre. Er sagte, es sei für mich gesorgt.«
    »Und das hat er,
nicht wahr?« brummte Mr. Sinclair. »Wie war denn dein Verhältnis zu Jamie?«
    »Wie bitte, mein
Herr?«
    »Um offen zu sein,
warst du eine Art Tochter für ihn oder seine Geliebte?«
    »0 nein, ich bin
viel zu hässlich, um es so weit zu bringen. Ihr Bruder hat es mir immer gesagt.
Er wollte mich vor mir selbst beschützen. Er meinte, meinen Augen sähe man die
Neigung zur Prostitution an.«
    »Da ist er von sich
selbst ausgegangen, der alte Geizkragen. Sieh, ich habe sehr wenig Geld und
kann dich nicht behalten.«
    »Schön«, erwiderte
Fiona ruhig.
    »Du wirst dir also
eine Arbeit suchen müssen.«
    »Ja«, sagte Fiona
und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.
    Mr. Sinclair
blinzelte vor Überraschung.
    Es schlug halb
zwölf. Er sehnte sich danach, wieder in die Schenke zu gehen und ein letztes
Glas zu sich zu nehmen. Über Fionas Problem wollte er nicht mehr nachdenken.
Später musste er sie ohnehin wegschicken, damit er sich aufhängen konnte. Er
würde sein Testament auf ein Stück Papier kritzeln und ihr die Wohnung samt der
Einrichtung hinterlassen.
    »Geh jetzt«, sagte
er barsch. »Nimm den Tee mit! Ich will mich anziehen.«
    Sie stand auf,
knickste und schlüpfte aus dem Zimmer.
    Seine Kleidung
fühlte sich jetzt anders an. Er stellte fest, dass sein Mantel gesäubert und
gebügelt war. Sein Hemd und die Krawatte waren weiß und frisch gestärkt. Wie
sie dieses Wunder über Nacht vollbracht hatte, war ihm ein Rätsel. Aber das
ungewohnte Gefühl, frisches Leinen auf der Haut zu spüren, hob seine Stimmung.
    Als er aus dem
Schlafzimmer ins Wohnzimmer trat, war es dort blitzsauber. Der Kaminschirm vor
dem Feuer glänzte wie Gold. Der Raum duftete nach Sauberkeit und Frische. In
einer Aufwallung von Dankbarkeit rief Mr. Sinclair aus: »Los, Mädchen, zieh
deinen Mantel an, ich nehme dich mit zu einem Schluck Whisky.«
    Folgsam schlüpfte
sie in ihren Mantel und zog die Kapuze über den Kopf, so dass der größte
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