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01 - Tage der Sehnsucht

01 - Tage der Sehnsucht

Titel: 01 - Tage der Sehnsucht
Autoren: Marion Chesney
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Schutz genommen hat.«
    »Der
geile Bock ...«
    »Mr. Sinclair! Ihr
Bruder hatte die edelsten Motive. Das Mädchen kam aus einem Waisenhaus, zu
dessen Kuratoren er gehörte.«
    »Also gut.
Hoffentlich hat er mir etwas Geld hinterlassen, damit ich mich um sie kümmern
kann.«
    »Nicht einen
Penny.«
    Mr. Sinclair
stöhnte und griff sich ans Herz.
    »Es tut mir leid.
Ihr Bruder war der Ansicht, dass Sie sich zu Tode trinken würden, wenn er Ihnen
Geld vererbte. Fiona ist übrigens sehr tugendsam erzogen worden. Ihr Bruder
glaubte, dass sie eine Stütze für Sie wäre, wenn sie Ihnen in Ihrem Alter
Gesellschaft leistete.«
    »Einen Kognak«,
flüsterte Mr. Sinclair.
    »Alkoholische
Getränke rühre ich nicht an und bewahre sie auch nicht auf. Ich kann Ihnen aber
einen Tee machen.«
    »Tee!« rief Mr.
Sinclair und sprang auf. »Tee! Ich werde Ihnen schon beibringen, wozu Ihr Tee
gut ist, Sie elender Bursche! Sie können Ihren Tee nehmen und ...« Er hastete
die Treppen hinunter. Über seine dicken Backen liefen die Tränen.
    Er weinte den
ganzen Tag. Das endete erst im »Sarg«, einem langen schmalen Raum in der
Schenke von John Dowie. Hier merkte er, dass er keine einzige Träne mehr
vergießen konnte. Sein Entschluß war gefasst. Er würde noch ein Glas trinken
und sich dann nach Hause begeben, seinen Gürtel um den Haken für den Schinken
schlingen, der sich an einem der Dachbalken befand, und sich aufhängen. Also
bestellte er traurig eine Flasche Bordeaux und rückte dem Inhalt energisch zu
Leibe.
    Am anderen Ende der
langen Tafel saßen zwei Advokaten. Sie hielten eine englische Zeitung, die
»Morning Post«, in der Hand und diskutierten die Gesellschaftsspalte. »Wir
hätten als Frauen auf die Welt kommen sollen, Archie«, sagte der eine. »Da
braucht man während der Saison in London weiter nichts als ein hübsches
Gesicht. Und schon kann man sich so viel Geld erheiraten, wie man will.« Dann
wandten sie sich anderen Themen zu.
    Mr. Sinclair trank
seinen Bordeaux aus und erhob sich schwankend. Seine Beine waren wackelig wie
Pudding, besonders das linke, so dass er leicht humpelte. Mit den Händen
ertastete er sich seinen Weg an den Gebäuden entlang. Dabei erinnerte er an
einen Bergsteiger, der sich an einem hohen, schmalen Felsvorsprung
entlanghangelt. Aber er schaffte es bis vor die eigene Tür.
    Sich aufzuhängen erwies
sich als keine leichte Angelegenheit. Denn er war total betrunken, glaubte
aber, er denke so klar wie Kristall. Er sah alles doppelt. So sehr er sich auch
bemühte, seinen Gürtel über den Haken für den Schinken zu schlingen, er
schaffte es einfach nicht.
    Als der Klopfer
gegen die Haustür schlug, stieg Mr. Sinclair wieder von dem Stuhl, auf dem er
gestanden hatte, herunter, um die Sache nochmals zu überdenken. Der Gedanke,
Selbstmord zu begehen, ohne seine Zechkumpane wissen zu lassen, was er
vorhatte, behagte ihm plötzlich nicht mehr. So schäbig wollte er sich nicht aus
diesem irdischen Jammertal schmuggeln. Er steuerte auf die Tür zu und riss sie
auf.
    Eine Schönheit, die
ihm wie ein Traum erschien, sah ihn an. Sie machte einen tiefen Knicks und
sagte in einem reizenden Tonfall: »Wenn es recht ist, mein Herr, ich bin Fiona
Sinclair.«

Zweiter Kapitel

    Am nächsten Morgen kostete es Mr. Sinclair
einige Anstrengung, wach zu werden. Er wußte noch, dass ihm am Vortag etwas
Schreckliches zugestoßen war. Deshalb blieb er gern noch eine Weile im Bett
liegen, starrte an die Decke und verdrängte die Erinnerung. Sein Mund war
trocken, die Stirne glühte.
    Doch am Ende wurde
er sich trotz seines schmerzenden Schädels des vollen Ausmaßes von Jamies
Testament bewußt. Jamie hatte sich zeit seines Lebens den Anschein von
Mildtätigkeit zu geben gewusst, indem er sich in den Vorstand des einen und
anderen Waisen- oder Armenhauses wählen ließ, aber nicht die kleinste Kupfermünze
hergab. Und jetzt wollte er aus Bosheit und Schadenfreude tatsächlich sein
ganzes Vermögen endgültig den Wohltätigkeitsinstituten überlassen. Das war zu
viel. Mr. Sinclair schloss die Augen und stöhnte laut.
    Doch da beträufelte
eine zarte Hand seine fiebrigen Schläfen mit Eau de Cologne, und eine ruhige
Stimme sagte: »Bleiben Sie noch liegen. Ich habe Ihnen eine Schale Tee
zubereitet.«
    Mr. Sinclair schob
die Hand weg, setzte sich mühsam auf und lehnte sich gegen die Kissen. Wie er
ins Bett gelangt war, wußte er nicht mehr. Das letzte, woran er sich erinnern
konnte, war, dass er der schönsten Frau,
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