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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung
Autoren: Mary Balogh
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einer
ehrerbietigen Verbeugung. »Sie ist bloß eine Bettlerin, die die Frechheit
besaß, hier hereinzumarschieren. Sie ist sofort verschwunden.«
    »Na, gebt
ihr ein 6-Pence-Stück«, sagte der Gentleman und blickte mit einer
gewissen Güte auf Lily. »Damit kannst du dir für ein paar Tage Brot kaufen,
Mädchen.«
    Mit
sinkendem Mut entschied Lily, dass dies der falsche Moment war, auf ihrer
Forderung zu beharren. Sie war dem Ende ihrer Reise so nahe und dennoch weiter
entfernt als je zuvor. Der Diener in Schwarz fingerte in seiner Hosentasche
herum, wahrscheinlich suchte er nach einem 6Pence-Stück.
    »Vielen
Dank«, sagte sie mit stiller Würde, »aber ich bin nicht um ein Almosen
gekommen.«
    Sie
drehte sich um, gerade als der Diener und der Gentleman mit der kultivierten
Stimme gleichzeitig zu sprechen begannen, und eilte aus der Halle, die Stufen
hinab, die Terrasse entlang und über eine abschüssige Wiese. Sie fühlte sich
nicht in der Lage, jene dunkle Auffahrt noch einmal zu bewältigen.
    Das
Mondlicht führte sie weiter zu einem schmalen Pfad, der in einem scharfen
Winkel an einigen Bäumen vorbei, die das Licht jedoch nicht vollständig
schluckten, hinunterführte. Sie würde so weit nach unten gehen, entschloss sich
Lily, bis sie außer Sichtweite des Hauses war.
    Der
Pfad wurde noch abschüssiger und der Baumbestand immer spärlicher, bis der Weg
nur noch von dichtem und üppigem Farnkraut gesäumt wurde. Sie konnte jetzt Wasser
hören - schwach die elementare Brandung des Meeres und, etwas näher, das
Rauschen herabstürzenden Wassers. Es musste ein Wasserfall sein, vermutete sie,
und dann konnte sie ihn in einiger Entfernung zu ihrer Rechten im Mondlicht
glitzern sehen - ein von der Klippe über dem Tal fast senkrecht
herabfallendes Band aus Wasser und unten den Bach, der zum Meer floss. Und am
Fuße des Wasserfalls etwas, das wie eine kleine Hütte aussah.
    Lily
ging nicht dorthin. Drinnen brannte kein Licht, doch auch dann hätte sie sich
nicht genähert. Zu ihrer Linken konnte sie einen breiten, sandigen Strand
ausmachen und das Mondlicht in einem glitzernden Band über dem Meer.
    Sie
würde die Nacht direkt oberhalb der Bucht verbringen, entschied sie. Und morgen
würde sie nach Newbury Abbey zurückkehren.
    ***
    Als Lily früh am
nächsten Morgen erwachte, wusch sie Gesicht und Hände im kalten Wasser des
Baches und brachte sich so gut es ging in Ordnung, bevor sie den Pfad über den
farnbewachsenen Abhang und durch die Bäume bis zum Rand des gepflegten Rasens
wieder hinaufstieg.
    Sie
blieb stehen und blickte auf ein Gebäude, bei dem es sich um die Stallungen
handeln musste, und das Haus dahinter. Beide sahen im Morgenlicht noch massiger
und furchteinflößender aus, als sie ihr letzte Nacht erschienen waren. Und
wieder herrschte reges Treiben. Zahlreiche Kutschen standen in der Auffahrt in
der Nähe der Stallungen und Stallburschen und Kutscher hatten alle Hände voll
zu tun. Die Festgäste des vergangenen Abends mussten über Nacht geblieben sein und
bereiteten sich nun auf die Abreise vor, vermutete Lily. Offensichtlich war
noch immer nicht der rechte Zeitpunkt, um ihre Aufwartung zu machen. Sie musste
noch warten.
    Nachdem
sie an den Strand zurückgekehrt war, verspürte sie Hunger und entschloss sich,
die Zeit mit einem Spaziergang ins Dorf zu überbrücken, wo sie sich vielleicht
ein kleines Brot kaufen konnte. Dort angekommen, musste sie jedoch feststellen,
dass es keineswegs das ruhige, einsame Dorf war, als das es sich ihr am
Vorabend präsentiert hatte. Der Dorfplatz war von vornehmen Karossen gesäumt
zum Teil womöglich von ebenjenen, die sie früher am Tag bei den Stallungen des
Herrenhauses gesehen hatte. Der Dorfanger selbst war von Menschen übersät. Die
Türen des Gasthofes standen weit offen und hektisches Treiben hielt Lily davon
ab, näher zu treten. Sie bemerkte, dass auf dem Vorplatz der Kirche sogar noch
dichteres Gedränge herrschte als auf dem Dorfplatz.
    »Was
geht hier vor?«, fragte sie zwei Frauen, die an der Ecke des Angers nahe beim
Gasthof standen und in Richtung Kirche blickten, eine von ihnen auf
Zehenspitzen.
    Sie
drehten die Köpfe und starrten sie an. Die eine musterte sie von Kopf bis Fuß,
stellte fest, dass sie eine Fremde war, und verzog das Gesicht. Die andere war
etwas freundlicher.
    »Eine
Hochzeit«, sagte sie. »Die halbe Gesellschaft Englands ist zur Hochzeit von
Miss Edgeworth und dem Grafen von Kilbourne hierher gekommen. Ich weiß nicht,
wie
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