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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung
Autoren: Mary Balogh
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hätte sie eines Besseren belehren müssen,
wenn sie sich jemals darüber Gedanken gemacht hätte. Das war also Newbury
Abbey? Offen gesagt erschreckte es sie. Und was ging drinnen vor? Bestimmt präsentierte
das Anwesen sich nicht jeden Abend auf diese Weise.
    Sie
wäre am liebsten umgekehrt, aber wohin hätte sie gehen sollen? Es gab nur den
Weg nach vorn. Zumindest versicherten ihr die Lichter - und die Musik,
die an ihre Ohren drang, als sie näher kam -, dass er zu Hause sein
musste.
    Irgendwie
empfand sie diesen Gedanken nicht als sonderlich tröstlich.
    Die
großen doppelflügligen Eingangstüren von Newbury Abbey standen weit offen.
Licht fiel auf die Marmorstufen, die zum Eingang hinaufführten, und dahinter
hallten die Geräusche von Stimmen und Lachen und Musik wider. Auch draußen
waren Stimmen zu vernehmen, doch Lily sah nur ferne Schatten in der Dunkelheit
und niemand bemerkte ihr Näherkommen.
    Sie
ging die Marmorstufen hinauf - sie zählte acht - und trat ein in
eine Halle, die so hell erleuchtet und so groß war, dass sie sich plötzlich
zwergenhaft vorkam und es ihr schwer fiel, zu atmen und einen klaren Gedanken
zu fassen. Überall waren Menschen, die sich durch die Halle bewegten und die
großen Treppen hinauf- und hinabstiegen. Alle waren in edle Stoffe
gekleidet und funkelten vor Juwelen und Edelsteinen. Lily hatte törichterweise
erwartet, vor eine verschlossene Tür zu treten, anzuklopfen und ihm
gegenüberzustehen.
    Sie
wünschte sich plötzlich, sie hätte Captain Harris erlaubt, seinen Brief zu
schreiben, und eine Antwort abgewartet. Was sie stattdessen getan hatte, schien
ihr nicht länger eine weise Entscheidung gewesen zu sein.
    Einige
livrierte Diener mit weißen Perücken standen herum und versahen ihren Dienst.
Sie sah mit einiger Erleichterung, wie einer von ihnen auf sie zueilte. Sie
hatte sich bis dahin unsichtbar und auffällig zugleich gefühlt.
    »Sofort
raus hier!«, befahl er mit gepresster Stimme und versuchte, sie zurück zur Tür
zu drängen, ohne sie zu berühren. Zweifellos hatte er die Absicht, jedes
Aufsehen zu vermeiden. »Wenn du hier zu tun hast, zeige ich dir den
Dienstboteneingang. Allerdings bezweifle ich das, besonders zu dieser späten
Stunde.«
    »Ich
möchte mit dem Grafen von Kilbourne sprechen«, sagte Lily. Sie hatte nie mit
diesem Namen an ihn gedacht. Es kam ihr vor, als würde sie nach einem Fremden
fragen.
    »Ach,
tatsächlich?« Der Diener sah sie mit niederschmetternder Verachtung an. »Wenn
du hergekommen bist, um zu betteln, scher dich fort, bevor ich einen Konstabler
rufe.«
    »Ich
möchte mit dem Grafen von Kilbourne sprechen«, wiederholte sie und wich nicht
von der Stelle.
    Der
Diener legte seine weiß behandschuhten Hände auf ihre Schultern, um sie nun
doch gewaltsam zurückzudrängen. Doch neben ihm war ein anderer Mann
aufgetaucht, ganz in Schwarz und Weiß gekleidet, ohne jedoch ähnlich prunkvoll
zu erscheinen wie die anderen Gentlemen, die sich in der Halle und auf den
Treppen befanden. Er musste ebenfalls ein Bediensteter sein, mutmaßte Lily,
wenn auch höher gestellt als der erste.
    »Was
gibt es, Jones?«, fragte er kühl. »Weigert sie sich, ohne Aufsehen zu gehen?«
    »Ich
möchte den Grafen von Kilbourne sprechen«, ließ Lily ihn wissen.
    »Du
kannst entweder aus freien Stücken sofort gehen«, sagte der Mann in Schwarz mit
sanftem Nachdruck, »oder innerhalb von fünf Minuten wegen Landstreicherei
verhaftet und ins Gefängnis geworfen werden. Du hast die Wahl, Mädchen. Für
mich macht das keinen Unterschied. Wie lautet dein Entschluss?«
    Lily
öffnete den Mund und rang nach Atem. Sie war zum falschen Zeitpunkt gekommen,
natürlich. Es fand irgendein großes gesellschaftliches Ereignis statt. Er würde
ihr gewiss nicht dankbar sein, wenn sie jetzt auftauchte. Möglicherweise würde
er ihr überhaupt nicht dankbar sein, dass sie gekommen war. Nun, da sie das
alles gesehen hatte, begann sie die Unmöglichkeit ihres Unterfangens zu
begreifen. Aber was sonst konnte sie tun? Wohin konnte sie gehen? Sie schloss
den Mund.
    »Nun?«,
fragte der Oberdiener.
    »Ärger,
Forbes?«, fragte eine weitere, weitaus kultiviertere Stimme und Lily wandte den
Kopf und erblickte einen älteren Herrn mit silbernem Haar und an seinem Arm
eine Dame in purpurnem Satin mit passendem federbesetztem Turban. Die Dame trug
an jedem Finger einen Ring über dem Handschuh.
    »Keineswegs,
Euer Gnaden«, antwortete der Diener, der Forbes genannt wurde, mit
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