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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus
Autoren: Elizabeth George
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noch gönnerhaft Mäuschen nannte. Und das war noch lange nicht der schlimmste Name, den man ihnen gab - das wußte sie. Zum Teufel mit ihnen allen. Für die warjede Frau, die in die Kriminalpolizei wollte, von vornherein eine arme Irre, und man ließ es sie fühlen. St. James jedoch, zwei Jahre älter als sie, hatte sie als Kollegin akzeptiert, ja als Freundin sogar.
    St. James war jetzt selbständiger gerichtsmedizinischer Gutachter, aber er hatte seine Laufbahn beim Yard begonnen. Mit vierundzwanzig bereits hatte er dank rascher Auffassungsgabe, klarer Wahrnehmung und Intuition zu den besten Leuten dort gehört. Er hätte jeden Weg einschlagen können: Ermittlung, Pathologie, Verwaltung. Aber dann war vor acht Jahren plötzlich alles ganz anders gekommen. Auf einer wilden Autofahrt mit Lynley über die Dörfer Surreys war all seinen Hoffnungen ein jähes Ende gesetzt worden. Sie waren beide betrunken gewesen - St. James hatte das immer bereitwillig zugegeben. Aber alle wußten, daß Lynley an dem Abend am Steuer gesessen, daß er in einer Kurve die Herrschaft über den Wagen verloren hatte. Und Lynley war ohne eine Schramme davongekommen, während sein Jugendfreund St. James den Unfall nur als Krüppel überstanden hatte. Er hätte seine Laufbahn am Yard fortsetzen können, doch er hatte sich statt dessen in ein Haus in Chelsea verkrochen, das seiner Familie gehörte, und dort vier Jahre lang wie ein Einsiedler gehaust. Alles Lynley zu verdanken, dachte sie grimmig.
    Es war für sie völlig unfaßbar, daß St. James die Freundschaft zu diesem Menschen aufrechterhalten hatte. Doch er hatte es getan, und irgend etwas, irgendeine besondere Situation hatte vor fast fünf Jahren die Beziehung zwischen den beiden Männern noch vertieft und St. James wieder ins Berufsleben zurückgeführt. Auch das, dachte sie widerstrebend, war Lynley zu verdanken.
    Sie manövrierte den Mini in eine Parklücke in der Lawrence Street und ging zu Fuß über den Lordship Place zur Cheyne Road. Weiße Holz- und Stuckarbeit zierte die tiefbraunen Backsteinhäuser dieser Gegend nahe der Themse, die schmiedeeisernen Gitter an Fenstern und Balkons glänzten frisch gestrichen. Die Straßen Chelseas, ehemals ein Dorf vor den Toren Londons, waren schmal, vom ausladenden Geäst herbstlich leuchtender Platanen und Ulmen überdacht. Das Haus der St. James' stand an einer Ecke, und als Barbara an der hohen Backsteinmauer vorüberging, die den Garten umgab, hörte sie von drüben Stimmengewirr und Gelächter. Jemand brachte laut einen Toast aus, Bravorufe und Applaus folgten. Die alte Eichentür in der Mauer war geschlossen, aber das machte nichts. In ihrer Uniform wollte sie sowieso nicht mitten in das festliche Treiben hineinplatzen, als sei sie gekommen, jemanden zu verhaften.
    Als sie um die Ecke bog, sah sie, daß die Tür des hohen alten Hauses offenstand. Gelächter kam ihr entgegen, der klare Klang von Silber und Porzellan, der Knall eines Champagnerkorkens, Geigen- und Flötenklänge aus dem Garten. Überall waren Blumen. Weiße und rosafarbene Rosen, die einen schweren Duft verströmten, wanden sich um das Treppengeländer vor der Haustür, und vom Balkon fielen in farbiger Pracht Ranken von Trompetenblumen herab.
    Barbara holte tief Atem und stieg die Treppe hinauf. Mehrere Gäste bei der Tür warfen ihr neugierige Blicke zu, als sie in ihrer schlecht sitzenden Uniform zögernd stehenblieb, doch sie schlenderten wieder in den Garten hinaus, ohne sie anzusprechen. Es würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als sich mitten in die Hochzeitsgesellschaft hineinzuwagen, wenn sie Lynley finden wollte. Bei dem Gedanken wurde ihr beklommen zumute.
    Sie wollte gerade zu ihrem Wagen zurücklaufen und einen alten Trenchcoat holen, um ihn über die Uniform zu ziehen, als Schritte und Gelächter auf der Treppe im Vestibül ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Eine Frau kam herunter, den Kopf nach rückwärts gewandt, um jemandem, der oben geblieben war, etwas zuzurufen.
    »Wir gehen allein. Nur wir zwei. Komm doch mit, Sid, das wird bestimmt nett.«
    Sie drehte sich um, sah Barbara und blieb, eine Hand auf dem Geländer, stehen. Eine nicht sehr große, aber sehr schlanke Frau in einem teefarbenen Seidenkleid von fließender Eleganz. Langes kastanienbraunes Haar umrahmte ein ebenmäßiges, ovales Gesicht. Barbara erkannte sie sofort; sie hatte Lynley oft genug im Yard abgeholt. Lady Helen Clyde, Lynleys Freundin und St. James' Laborantin. Sie setzte sich
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