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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus
Autoren: Elizabeth George
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eigentlich, mit wem sie es zu tun hatten? Bildeten sie sich ein, sie wäre so dumm, das Spiel nicht zu durchschauen? Zum Teufel mit ihnen! Diese verdammten Heuchler.
    Sie zwinkerte krampfhaft. Keine Tränen, sagte sie sich. Sie würde nicht weinen, sie würde nicht reagieren. Schon war sie in der Damentoilette. Hier war niemand. Hier war es kühl. War es in Webberlys Büro wirklich so heiß gewesen? Oder war das nur ihre Wut gewesen? Sie zerrte an ihrer Krawatte, lockerte sie und stolperte zum Waschbecken hinüber. Das kalte Wasser spritzte unter ihren nervösen Fingern in starkem Strahl aus dem Hahn, durchnäßte ihren Uniformrock und ihre weiße Bluse. Das hatte noch gefehlt! Sie sah sich im Spiegel an und brach in Tränen aus.
    »Du blöde, häßliche Kuh!« beschimpfte sie sich innerlich.
    Sie weinte nicht leicht, gerade darum waren ihre Tränen jetzt heiß und bitter, fühlten sich fremd und ungewohnt an, wie sie ihr über das reizlose Gesicht strömten, das rund und platt war wie das eines Mopses.
    »Du bist wirklich ein Bild für Götter, Barbara«, höhnte sie. »Du bist ein prächtiger Anblick.«
    Schluchzend ging sie vom Becken weg und lehnte ihren Kopf an die kühlen Wandkacheln.
    Barbara Havers, dreißig Jahre alt, war eine entschieden unattraktive Frau, die es aber auch geradezu darauf anzulegen schien, so zu wirken. Statt das feine, glänzende Haar, das die Farbe hellen Fichtenholzes hatte, so zu frisieren, daß es ihrem Gesicht schmeichelte, trug sie es stumpf geschnitten bis knapp über die Ohren, als hätte sie sich einfach einen zu kleinen Topf über den Kopf gestülpt und losgeschnipselt. Sie schminkte sich nicht. Die starken Augenbrauen, die sie niemals zupfte, betonten ihre etwas zu kleinen Augen, nicht aber die wache Intelligenz ihres Blicks. Der schmallippige Mund war in ständiger Mißbilligung zusammengekniffen. Insgesamt vermittelte sie den Eindruck einer kleinen, völlig unnahbaren und spröden Person.
    Jetzt haben sie dir also den Goldjungen zugeteilt, dachte sie. Wie schön für dich, Barb! Nach acht elenden Monaten Streife holen sie dich zurück, um dir »noch einmal eine Chance zu geben« - und ausgerechnet mit Lynley!
    »Ich tu's nicht«, murmelte sie. »Fällt mir gar nicht ein. Ich arbeite nicht mit diesem affigen Kerl.«
    Sie stieß sich von der Wand ab und trat wieder ans Becken. Sie ließ Wasser einlaufen, vorsichtig diesmal, und beugte sich hinunter, um ihr heißes Gesicht zu kühlen und die Tränenspuren wegzuwaschen.
    »Ich möchte Ihnen noch einmal eine Chance bei der Kriminalpolizei geben«, hatte Webberly gesagt.
    Er hatte mit einem Brieföffner auf seinem Schreibtisch gespielt, aber sie hatte die Fotografien an der Wand gesehen und hatte Hoffnung geschöpft. Der Bahnhofskiller! Da mitzuarbeiten! O ja, lieber Gott, ja! Wann fange ich an? Mit MacPherson zusammen?
    »Es handelt sich um einen merkwürdigen Fall mit einem jungen Mädchen oben in Yorkshire.«
    Also doch nicht der Bahnhofskiller. Aber ein Fall immerhin. Ein junges Mädchen, sagen Sie? Natürlich, da kann ich helfen. Mit Stewart zusammen wohl? Der ist in Yorkshire wie zu Hause. Wir würden sicher gut zusammenarbeiten. Ganz bestimmt.
    »Ich erwarte die Informationen in ungefähr einer Dreiviertelstunde. Da brauche ich Sie hier; vorausgesetzt natürlich, Sie sind interessiert.«
    Vorausgesetzt, ich bin interessiert! Eine Dreiviertelstunde. Da kann ich mich noch umziehen, schnell was essen. Wieder herkommen. Dann mit dem Abendzug nach York fahren.
    »Vorher müßten Sie allerdings noch nach Chelsea hinüberfahren.«
    Das Gespräch kam plötzlich zum Stillstand.
    »Nach Chelsea, Sir?«
    »Ja«, antwortete Webberly leichthin und ließ den Brieföffner mitten in das Durcheinander auf seinem Schreibtisch fallen. »Sie arbeiten mit Inspector Lynley zusammen, und den müssen wir leider erst von der St.-James-Hochzeit in Chelsea weglotsen.« Er sah auf seine Uhr. »Die Trauung war um elf, da ist die Feier zweifellos inzwischen in vollem Gang. Wir haben versucht, ihn telefonisch zu erreichen, aber das Telefon ist offenbar ausgehängt.« Er blickte auf und sah ihr fassungsloses Gesicht. »Ist etwas nicht in Ordnung, Sergeant?«
    »Inspector Lynley?« Sie begriff mit einem Schlag. Warum man sie brauchte, warum niemand anderer in Frage kam.
    »Ja, Lynley. Irgendwelche Probleme?«
    »Nein, nein, keine.« Und dann verspätet: »Sir.«
    Webberly taxierte mit klugem Auge ihre Reaktion.
    »Gut. Das freut mich zu hören. Sie können
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