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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unter dem Zeichen Burgunds schläft. Kannst du mir die Flagge unserer Heimat bringen?«
    Es war ein nicht ungewöhnlicher Wunsch, nur zu ungewöhnlicher Stunde geäußert, und entsprechend reagierte Gernot. »Das einzige Tuch mit dem Zeichen Burgunds liegt gefaltet in unserem Schiff . . . «
    Kriemhild sah ihn an, die Augen eine einzige Bitte. Der Prinz wand sich um die Erfüllung. »Noch heute? Es ist schon tiefe Nacht, und die Verkündigung deiner Hochzeit mit Etzel wird bald sein. Was, wenn ich den Moment verpasse?«
    Sie küsste ihn leicht - auf die Lippen, wie sie es nicht mehr getan hatte, seit sie Kinder gewesen waren. »Du wirst nichts verpassen, was von Belang ist, das verspreche ich dir. Niemand wird fort sein, wenn du wiederkehrst.«

    Unsicher stand Gernot auf. »Wenn es dein Wunsch ist, soll es mein Geschenk zur Hochzeit sein.«
    Als er das Zelt verließ und sich dabei mehrfach umsah, hob Kriemhild ihr Baby zu sich hoch. »Seine edle Seele soll verschont sein.«
     
    Nach einem ganzen Tag und einem ganzen Abend der Sinnesfreuden waren die Burgunder am Hunnentisch reichlich berauscht und träge gesättigt. Irgendwann hatte Gunther auch den Leibwachen erlaubt, sich zu bedienen, was diese nicht nur bei Fleisch und Wein taten, sondern auch bei kichernden Hunnenfrauen. Als die Mitternacht herandrängte, herrschte ausgelassene Stimmung und Bruderschaft. Nur Hagen, weder von Wein noch fetten Speisen abgestumpft, ging wütend zwischen den unsteten Leibern her. »Mein König, wir suchen nicht den Bund im Rausch mit den Hunnen! Unsere Sinne müssen scharf und unsere Pläne klug sein.«
    Gunthers Stimme lallte ein wenig bei der Antwort. »Schweig still, du Narr! Für einmal nur, schweig still!«
    Etzel stützte sich auf eines der großen Kissen, die den Boden zur weichen Lagerstatt machten. »Narr? Du nennst mich Narr?« Sein amüsierter Gesichtsausdruck machte deutlich, dass er nicht wirklich empört zu sein beabsichtigte.
    Der König von Burgund machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach was, mein lieber Etzel, nichts läge mir ferner! Es ist nur . . . manchmal . . . «
    » . . . spricht das Gewissen so laut, dass kaum der Wein reicht, um es zum Schweigen zu bringen«, vollendete der Hunne und lachte wieder dröhnend. »Das ist der Fluch der Christen. Wir Steppenkrieger wälzen uns nicht in Schuld.«
    Sie stießen mit goldenen Kelchen an, die Etzel aus dem Tribut, den das byzantinische Reich ihm jährlich zahlte, hatte anfertigen lassen.
    Kriemhild kam dazu und setzte sich neben ihren Gatten. »Ist mein Erwählter schon zu trunken, um noch mein König zu werden?«
    Etzels Blick wurde gleich wieder klar, und sein Kriegerblut verdrängte leicht den Rausch. »Nein, natürlich nicht. Und wenn du immer noch überzeugt bist, eine Hunnenseele an deiner Seite zu wollen, wird die Verkündigung hier und jetzt vonstatten gehen.«
    Sie nickte nur, und Etzel rappelte sich auf.
    Gunther drehte sich zu seiner Schwester. »Ich sehe Gernot nicht. Sollte er den feierlichen Moment nicht auch erleben?«
    Kriemhild lächelte. »Er wird irgendwo im Zelt streunen, von wo er sieht, was es zu sehen gibt.« Sie erhob sich und stellte sich neben ihren Mann, der mit starker Stimme rief: »Hört zu, ihr Hunde - und Gäste aus den Reichen Burgund und Xanten!«
    Es gab amüsiertes Gelächter, und der König hatte das Ohr jedes Mannes und jeder Frau. Er hob seinen Kelch. »Ihr wisst, wer wir sind, und ihr wisst, warum wir hier sind. Damit ist eigentlich alles gesagt. Doch in den letzten Jahren haben die Hunnen ein neues Leben gekostet, das aus mehr besteht als hartem Ritt und kaltem Fleisch. Einiges davon hat sich bewährt, denn es macht die Seele stark, ohne die Arme schwach zu machen. Mein Vater nahm sich jede Frau, die ihm gefiel, und es war sein stolzes Recht. Doch ich merkte schnell, dass Liebe süßer schmeckt, wenn sie aus freien Stücken gegeben wird.«
    Er sah Kriemhild mit dem Ausdruck ehrlicher Verbundenheit an, und sie legte den Arm um seine Hüfte.
    »Als Kriemhild mein Werben verschmähte«, fuhr Etzel fort, »blutete mein Herz. Weder Weib noch Heiler konnte die Wunde verschließen. Heute weiß ich, dass der Dolch, dem ich den Schmerz verdanke, auch die Salbe ist, die ihn lindert. Und weil ich ohne diese Linderung sterben werde, rufe ich heute allen Hunnen zu: Hört, Kriemhild ist nun meine Frau - und eure Königin!«
    Der Jubel pflanzte sich in Wellen fort - von den Umstehenden ergriff er alle Menschen im Zelt, und durch die
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