Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
deiner Macht, sie zu vergeben. Mein Stolz ist ungleich größer, weil sie selbst den Schritt getan hat.«
    Dabei legte er den Arm um Kriemhild, und Gunther fühlte sich leicht schwindelig, als Hagen ihm zuraunte: »Er ist ein hochmütiger Herrscher, und hier ist sein Reich. Wir sollten vorsichtig sprechen und ebenso handeln.«
    Statt zu den Ehrengästen drehte sich Etzel nun zuerst zu den Soldaten von Burgund. »Viele Schweine sind für euch geschlachtet worden! Viel Bier wurde gebraut! Und willige Weiber hat das Volk der Hunnen wahrlich auch genug! Für drei Tage seid ihr unsere Brüder - und Gran ist eure Heimat!«
    Ein zufriedenes und vorfreudiges Raunen ging durch die Ränge, und als Gunther zur Stadt zeigte, rannten tausend Soldaten begeistert los, um in Rausch und Tändelei die Strapazen der Reise zu vergessen. Nur zwanzig Mann, die persönliche Garde, blieb an seiner Seite. Der König war überzeugt, dass kaum Gefahr von dieser Seite drohte. Im Gegenteil - es war Gran, das Burgund zu fürchten hatte.
     
    Im Chaos, das Gran war, stach das Zelt des Königs heraus wie eine Insel aus dem Meer. Aus einer Unzahl von Stangen und Stäben hatten die geschicktesten von Etzels Anhängern eine Kuppel fast geflochten, das Holz mit nur wenigen Seilen verknüpft. Wie ein Gewirr aus Leitern hakten sich die Streben unter, um in sanfter Wölbung einen Platz zu überdachen, der leicht alle Burgunder Krieger hätte aufnehmen können. Die wunderliche Konstruktion war mit so vielen Fellen bespannt, dass Gunther daran zweifelte, jemals in diesem Landstrich einem Ochsen zu begegnen, der seine Haut noch selber trug. Ohne Stein und Ziegel wirkte das Königszelt doch stark und majestätisch, Ehrfurcht gebietend wie eine Kirche. Eine Rauchfahne drängte von der höchsten Stelle in den Himmel, und der König fühlte sich an die seltsamen Helme mit den Schweifen an der Spitze erinnert, die die Hunnen in der Schlacht zu tragen pflegten.
    Gernot und Gunther blieben unwillkürlich stehen, als sie den einzigartigen Bau sahen. Etzel lächelte nicht ohne Stolz. »Sicher kein Palast, aber doch der Ort für einen König.«
    Sechs Wachen standen vor dem Eingang, dessen Türflügel aus Holzstämmen grob zusammengeschnürt waren. Dahinter tat sich ein Reich auf, das Hölle oder Paradies war, je nachdem, was man sich von beidem erwartete. In dem riesigen Zelt roch es nach gebratenem Fleisch, nach Schweiß und nach den Ausdünstungen hunderter Felle, die hier alles waren - Schlafstätten, Sichtschutz, Bodenbelag. In Messingschalen brannten kleine Feuer, und ihr warmes Licht drang nicht einmal bis zur Spitze der Kuppel, in der das Loch die Hitze und den Rauch abziehen ließ. Hölzerne Estraden und Podeste grenzten Räume ab, die keine Wände brauchten, und überall herrschte Betriebsamkeit. Es wurde gekocht, gebraten, gelacht und geküsst. Hunnen wie Xantener schienen sich prächtig zu amüsieren, und ihr König wurde mit beiläufigem Jubel begrüßt, nicht mit unterwürfigem Respekt.
    »Ich habe so etwas noch nie gesehen«, flüsterte Gernot.
    Kriemhild lächelte. »Die Hunnen mögen Krieger der Steppe sein und gänzlich unserer Kultur fremd, aber das heißt nicht, dass ihnen das Talent zu Schönheit und Gestaltung fehlt.«

    »Wenn Ihr einen weiteren Beweis gebraucht habt, wie gefährlich diese Barbaren sind«, zischte Hagen, »dann ist er wohl erbracht. Diese Macht muss in unsere Hände kommen, bevor sie gegen uns gerichtet wird.«
    »Nehmt Platz, wo es euch beliebt«, verkündete Etzel nun. »Was ihr euch wünscht, ihr sollt es bekommen. Wenn euch unsere Gastfreundschaft gefällt, wünsche ich, dass nach den drei Tagen Fest ihr noch drei Tage braucht, um auszuruhen.«
    Höfliches Gelächter begleitete die freundlichen Worte, und Gunther wandte sich wieder an seine Schwester. »Ein Festmahl vor der Trauung? Das scheint mir seltsam.«
    Kriemhild antwortete, ohne ihn wirklich anzusehen. »Die Ehe, so, wie wir sie kennen, ist den Hunnen fremd. Heute um Mitternacht wird Etzel verkünden, dass ich nun seine Königin bin. Mehr ist nicht nötig.«
    »Ich hatte gehofft, dass du den Segen des Herrn suchen würdest«, sagte Gunther vorsichtig.
    Die Königin von Xanten und Dänemark blieb ruhig. »Meiner ersten Ehe hat der Segen wenig Glück gebracht. So, wie sich Siegfried meinem Glauben beugte, so beuge ich mich dem des Etzel.«
    Während des Gesprächs hatte sich Gernot neugierig umgesehen und an der Seite einer jungen Frau, in Fellen eingepackt, einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher