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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich rechtzeitig, um nicht durch unachtsame Worte Verdacht zu erregen, » . . . selbst Hagen sagte immer, dass eine kluge Königin auch den dümmsten König weise führen kann.«
    »An klugen Frauen war Burgund nie arm«, murmelte Gernot. »Aber warum ist dann alles so gekommen? Warum hat der Boden in den letzten Monaten so viel Blut verlangt?«
    Gunther seufzte. »Vielleicht braucht Macht Blut, oder vielleicht war es Siegfrieds Fehler, seine Stärke auf die Macht des Nibelungengolds zu gründen.«
    »Du glaubst an die alten Legenden?«

    Der König sah seinen Bruder eindringlich an, und so klar im Blick wie seit langer Zeit nicht mehr. »Ich bin christlich getauft, Gernot, und alles Gerede von den Nibelungen missfällt unserem Herrn. Doch mit Siegfrieds Triumph über Fafnir und der Ankunft des Golds in Worms brachten gute Taten schlimmes Leid. Lass mich dir ein Geheimnis verraten, um dir meinen Opferwillen zu beweisen - ich war es, der das Gold aus dem eigenen Verlies stehlen ließ.«
    Gernots Augen wurden groß. »Du hast unsere Schwester um ihr Erbe gebracht? Der König von Burgund - ein Dieb?«
    Gunther packte ihn an beiden Schultern. »Verstehst du nicht? Das Gold war das Elend! Von unser aller Schultern wollte ich es nehmen, als ich es den Nibelungen wiedergab!«
    »Das Ansinnen ehrt dich, und ich sehe die Tat nun mit anderen Augen«, sagte Gernot beeindruckt. »Vielleicht hast du Recht, und es beginnt nun endlich eine neue Zeit. Ohne Gold, aber in Frieden.«
    Gunther lächelte. »So wünsche ich es mir auch.«
    Der Prinz ging erleichtert davon, und Hagen war sogleich wieder an der Seite seines Königs. »Ein kluger Schachzug. Wäre ich selbst nicht dabei gewesen - ich hätte Euch die weisen Worte geglaubt.«
    Gunther nickte. »Wenn es so gewesen sein könnte, so hätte gewesen sein sollen - wer vermag dann noch zu sagen, ob es nicht genau so war?«
    Er beschloss in diesem Moment, seine eigene Seele nicht mehr als beschmutzt zu betrachten und im Rückblick seine Taten in edlem Licht zu sehen. Er war Gunther von Burgund, der immer das Beste für sein Land getan hatte. Und mit erhobenem Haupt konnte er nach Gran reisen. 

    Nur wenige Hunnen waren gekommen, der Verabschiedung von Mundzuks Leib beizuwohnen, und Kriemhild war überrascht, wie völlig anders dieses fremde Volk mit dem Tod eines geliebten Herrschers umging. Im Glauben an verschiedene Götter fanden die Völker am Rhein zumeist verschiedene Rituale, aber doch war die Beerdigung bei allen gleichermaßen wichtig und die Teilnahme daran der mindeste Respekt, der zu erweisen war.
    Nicht so bei den Hunnen. Zwanzig, vielleicht dreißig Männer, Frauen und Kinder standen auf einem Hügel östlich von Gran, kaum dass die Sonnenscheibe aufgegangen war. Kriemhild und ihr Mann Etzel waren darunter, erneut ohne die Insignien der Macht, die jeder König, den sie kannte, sonst zu tragen pflegte.
    »Du sagst, dass Trauer kein Bestandteil des Abschieds in deinem Volk ist«, flüsterte die Königin. »Doch wer sind diese Menschen, die dem Toten die letzte Ehre erweisen wollen?«
    »Seine treuesten Reiter, seine liebsten Frauen, seine stärksten Kinder«, antwortete Etzel, und auf Kriemhilds verwunderten Blick fügte er hinzu: »Mein Vater zeugte Nachwuchs, wo Schönheit seinen Gefallen fand. An die zwanzig Söhne hat er anerkannt, und viele weitere sind ohne sein Wissen auf die Welt gekommen.«
    »Kann ich hoffen, dass mein Gatte etwas weniger nach fremden Schößen blicken wird?«, fragte Kriemhild halb im Scherz.
    Ihr König wusste recht zu antworten. »Ich hätte nicht um dich geworben, wenn ich deinen Anspruch nicht hätte erfüllen wollen.«
    Ein Soldat führte nun ein Pferd herbei. Darauf saß, mit Seilen festgeschnürt, Mundzuks Leichnam. Lehm überdeckte die faulenden Stellen in seinem Gesicht, und ein Holz hielt seinen Rücken gerade.

    »Du wolltest meinen Vater kennen lernen«, sagte Etzel trocken. »Hier ist deine Gelegenheit. Es steht allerdings zu bezweifeln, dass er noch viel Eindruck macht.«
    Kriemhild unterdrückte leichte Übelkeit. Nirgendwo in Burgund wäre man auf die Idee gekommen, eine Leiche so zu handhaben, noch dazu die eines Königs. Aber Etzels Umgang mit dem Tod des Vaters hatte auch etwas erfrischend Unbelastetes, eine ungetrübte Freude loszulassen.
    Der Soldat, der das Pferd am Zaumzeug hielt, zog nun ein kleines hölzernes Brett hervor, aus dem spitze Nägel ragten. Er band es an den rechten Fuß des toten Königs. Dann sah er Etzel
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