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01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut

Titel: 01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Autoren: Deborah Crombie
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nüchternen Resolutheit, sich fertigzumachen.
      »Ja, Emma, ich komme«, antwortete Penny. Es war nicht nötig, Emma ungeduldig zu machen oder, schlimmer noch, ihre Nerven zu strapazieren, bis sie anfing, in diesem ihr völlig wesensfremden Ton sanfter Geduld zu sprechen. Penny rieb sich mit den Fingerspitzen die Stirn, als könnte ein Glätten der äußeren Linien ihrem Gesicht den gewohnten Ausdruck ruhiger Heiterkeit wiedergeben, und lächelte strahlend, als Emma sich nach ihr umdrehte.
     
    ... achtundzwanzig... neunundzwanzig... dreißig... Hannah Alcock saß vor dem Spiegel und zählte die Bürstenstriche. Merkwürdig, dachte sie, wie hartnäckig Kindergewohnheiten waren. Sie wußte keinen logischen Grund dafür, warum man sein Haar jeden Tag mit hundert Bürstenstrichen pflegen sollte, aber sie brauchte nur einen Moment die Augen zu schließen, und schon konnte sie sich in ihrem Nachthemd vor ihrem alten Toilettentisch sitzen sehen, wie sie die Bürste in gleichmäßigem Rhythmus durch ihr langes braunes Haar zog, und konnte aus dem Flur die Stimme ihrer Mutter hören: »Hannah, Kind, vergiß nicht, dir die Haare zu bürsten.«
      All das war lange her - fast dreißig Jahre waren seit dem Tag vergangen, an dem sie sich das Haar, das ihr bis zur Taille reichte, plötzlich abgeschnitten hatte. Wie ein Schleier hatte es auf ihrem Rücken gelegen, ein sattes, schimmerndes Kastanienbraun mit rotem Glanz, der ganze Stolz ihrer Mutter, und sie hatte es brutal in Höhe ihres Kinns abgeschnitten.
      Obwohl sie in den folgenden Jahren ihr Haar immer kurz getragen hatte, hatte sie an der Gewohnheit, es täglich zu bürsten, festgehalten. Ein albernes Ritual, das sie mit der Pubertät hätte ablegen sollen, aber wenn sie nervös war wie jetzt, fand sie es auf eigenartige Weise entspannend. Ihre Bauchmuskeln entspannten sich, während sie im Rhythmus mit den Bürstenstrichen atmete, und als sie später die Bürste mit dem silbernen Rücken neben den dazu passenden Spiegel legte, fühlte sie sich dem kommenden Abend besser gewachsen.
      Die Cocktail-Party hatte schon vor einer Viertelstunde angefangen; wenn sie sich nicht beeilte, würde ihr Zuspät-kommen unhöflich wirken. Dennoch fuhr sie fort, sich im Spiegel zu betrachten. Ein apartes Gesicht, hatte sie sich angewöhnt zu denken, nachdem sie den Mädchenwunsch nach konventionellem hübschen Aussehen abgelegt hatte. Diese gefälligen, runden Blondinen, die sie so beneidet hatte, warenjetzt verblichen, ihre Haut war schwammig, ihr Haar gesträhnt und getönt, um das langsam überhandnehmende Grau zu verdecken. Ihr eigenes Haar, gepflegt und von einem teuren Friseur geschnitten, war nur an den Schläfen leicht ergraut, und der kräftige Knochenbau ihres Gesichts, den sie gehaßt hatte, verlieh ihren Zügen jetzt eine Individualität, die fesselte.
      Seit Jahren schon kümmerte sie die Meinung anderer nicht mehr. Sie war erfolgreich, selbstsicher, gelassen, und sie hatte geglaubt, nichts könnte ihr mühsam errungenes inneres Gleichgewicht je wieder erschüttern. Bis dann diese merkwürdigen Regungen des letzten Jahres sich bemerkbar gemacht hatten und so heftig geworden waren, daß sie schließlich gar nicht mehr anders konnte, als etwas zu unternehmen, was sich vielleicht als nicht wiedergutzumachende Torheit entpuppen würde.
      Sie hatte dieses persönliche Zusammentreffen mit einer Sorgfalt geplant, die sie dem anspruchsvollsten Experiment gewidmet hätte. Sie hatte einen Privatdetektiv engagiert, um Details seines Lebens in Erfahrung zu bringen, sie hatte sich in dieses timesharing-Projekt für dieselbe Woche eingekauft - und jetzt zitterte sie plötzlich vor Aufregung und Lampenfieber wie das schüchterne Schulmädchen, das sie einmal gewesen war.
      Was hatte sie denn zu verlieren? Vielleicht würde die Woche damit vergehen, daß sie in den Korridoren aneinander vorübergingen, einen Gruß, vielleicht ein paar Worte wechselten, und er dann abreiste, ohne sich ihres Namens oder ihres Gesichts zu erinnern. Das konnte doch nun wirklich nicht so schlimm sein.
      Vielleicht würden sie aber auch Freunde werden. Weiter wollte sie nicht denken - was sie zu ihm sagen, wie er reagieren würde. Der heutige Abend mit der Möglichkeit, sich mit ihm bekannt zu machen und einige Belanglosigkeiten zu tauschen, reichte für den Anfang.
      Sie stand auf, nahm im Wohnzimmer ihre Handtasche und ging.
     
    Duncan Kincaid lehnte am Geländer seines Balkons und
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