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0098 - Im Labyrinth der grünen Henker

0098 - Im Labyrinth der grünen Henker

Titel: 0098 - Im Labyrinth der grünen Henker
Autoren: Walter Appel
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trocken und rissig an wie eine alte Stiefelsohle, und ich hatte sogar in den Haarspitzen Schmerzen. Und meine Brieftasche war weg.«
    »Wer lag denn bei dir im Bett?« fragte Zamorra interessiert.
    Bill verzog das Gesicht bei der Erinnerung.
    »Ein Straßenköter. Ein Hund, der entsetzlich haarte. Ich konnte mich nur noch erinnern, daß ich mit einer schwarzen Sambatänzerin eine feurige Sohle aufs Parkett gelegt hatte. Und daß ich dann mit ihr in ein kleines Lokal in einer Seitenstraße gegangen war.«
    »Ja«, sagte Zamorra, »wer keinen Zuckerrohrschnaps vertragen kann, der sollte die Finger davon lassen.«
    »Von wegen keinen Schnaps vertragen! Erst machte die Sambatänzerin mich heiß, und dann mischten mir irgendwelche Halunken Knockouttropfen in den Drink. Das hat mich von den Beinen gehauen. Am Morgen kam ich in einem drittklassigen Hotelzimmer wieder zu mir, als der Köter mein Gesicht leckte. Das war vielleicht ein Gefühl! Die Halunken hatten mir den Köter zum Hohn ins Bett gelegt.«
    »Und die Moral von der Geschieht: Trau einer fremden Sambatänzerin nicht«, dichtete Nicole aus dem Stegreif.
    Zamorra grinste. Die drei saßen im Dachgartenrestaurant des Hotels Copacabana Palace. Sie hatten gerade ein erstklassiges Cordon bleu verzehrt. Jetzt brachte ein befrackter Ober das Dessert, Kirschen, die er auf dem Servierwägelchen am Tisch flambierte.
    Das Hotel stand direkt an der Avenida Atlantica, am weltberühmten Copacabanastrand. Nordwestlich befand sich der Zuckerhut, das eine Wahrzeichen von Rio. Der Corcovado-Hügel mit der 32 Meter hohen Christusstatue aus Beton, das andere Wahrzeichen, lag im Nordosten, vom Hotel aus gesehen. Die Lichter der Viereinhalb-Millionen-Stadt funkelten in der Dämmerung.
    »Ihr könnt gern ein wenig Urlaub machen«, sagte Zamorra zu Nicole und Bill. »Ich bin nicht zu meinem Vergnügen hier. Nicht nur jedenfalls. Ich will mich mit dem Macumba-Kult beschäftigen, der in den letzten Jahren in Brasilien einen enormen Aufschwung erlebt hat. Macumba-Feiern werden öffentlich vorgenommen. Bekannte Politiker bekennen sich zum Macumba-Glauben, der ursprünglich aus den Slums kam, von den Ärmsten der Armen.«
    Der Ober, ein schlanker Mulatte, warf Zamorra einen Blick zu, als er ihn von der Macumba reden hörte. Offenbar verstand er Französisch.
    »Ein wenig Zeit zum Entspannen wirst du doch wohl finden, Chef«, meinte Nicole und zog einen Schmollmund.
    Zamorra musterte seine bildhübsche Sekretärin und Freundin, die sich zur Zeit mit blonden Haaren gefiel. Sie trug ein weißes, tiefausgeschnittenes Abendkleid und bot reizvolle Einblicke. Zamorra und Bill Fleming trugen helle Smokings, denn im Copacabana Palace hielt man auf Etikette.
    Einige hundert Meter weiter, am Rand des Stadtteils Botafogo und an vielen anderen Stellen wucherten die Slums. Baracken und Wellblechhütten, ohne Kanalisation, Elektrizität und fließendes Wasser. Starrend vor Schmutz, Armut und Elend.
    Zamorra, Nicole Duval und Bill Fleming widmeten sich den flambierten Kirschen auf Eis.
    »Nicht schlecht, sprach der Specht«, sagte Bill Fleming aufgeräumt. Er lehnte sich bequem auf dem Stuhl zurück. »Wolltest du uns heute abend nicht in einen Tempel der Macumba-Sekte mitnehmen, großer Meister?«
    »Allerdings«, antwortete Zamorra. »Ihr dürft euch aber unter dem Tempel nichts Großartiges vorstellen. Die Macumba gibt sich sehr volkstümlich. Ein Macumba-Tempel kann sich in einer schäbigen Wellblechhütte befinden. Oder im Stockwerk irgendeines Hochhauses.«
    »Was versprichst du dir eigentlich von deinen Forschungen in Sachen Macumba?« fragte Bill Fleming.
    Zamorra hob die Schultern.
    »Ich will wissen, ob es sich um einen puren Sektenaberglauben handelt, oder ob die Hauptgötter echte übernatürliche Wesen sind. Geister, Dämonen oder Götzen, wie immer man sie nennen mag. Ausgesprochen grausame Riten kennt der Macumba-Kult nicht. Aber spiritistische Beschwörungen der Gottheiten und Trancezustände. Das interessiert mich sehr.«
    »Mich als Kulturhistoriker interessieren mehr der Ursprung und die Geschichte des Macumba-Kults«, sagte Bill Fleming. »Soviel ich weiß, mischt der Kult afrikanische, indianische und viele christliche Glaubenselemente.«
    Nicole verdrehte die Augen.
    »Jetzt hört aber auf! Wißt ihr denn kein anderes Gesprächsthema als diesen alten Kult?«
    Ein Mann drängte sich durch die Tischreihen des Dachrestaurants, das mit Topfpalmen und Riesenfarnen dekoriert war. Der Mann war
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