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0097 - Wir sprangen dem Tod ins Genick

0097 - Wir sprangen dem Tod ins Genick

Titel: 0097 - Wir sprangen dem Tod ins Genick
Autoren: Wir sprangen dem Tod ins Genick
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nicht daran glaubte. Vielleicht haben sie die Bande schon ausgehoben und müssen nun alle ins Kreuzverhör nehmen.
    Ich könnte ja einmal beim Revier anrufen, sagte sie sich. Unsinn! wehrte sie ab. Rock hat es nicht gern, wenn man ihn während seiner Arbeit belästigt. Er hat es mir oft genug gesagt.
    Aber diese Ungewißheit ist ja auch nicht zu ertragen, lockte die Versuchung sogleich. Ruf doch an! Warum willst du dich hier sorgen, wenn dich ein einziges Telefongespräch von allen schlimmen Befürchtungen auf einen Schlag befreien kann? Ruf an!
    Sie war noch nicht ganz bis zum Telefon gekommen, als der Apparat anschlug. Gellend hallte die Klingel durch die tiefe Stille der nächtlichen Wohnung. May blieb erschrocken stehen. Für einen Augenblick war sie wie gelähmt.
    Dann stürzte sie zu dem kleinen Tisch, riß den Hörer hoch und rief hastig:
    »Ja? Hallo, Liebling? Rock, geht es dir gut? Ist…«
    Sie bewegte tonlos ihre Lippen weiter, während eine männliche Stimme an ihr Ohr klang:
    »Guten Morgen, Mrs. Billing! Hier spricht Corporal Chester. Entschuldigen Sie, daß ich Sie aus dem Schlaf klingelte, aber da ist ‘n schwerer Verkehrsunfall, den sich Ihr Mann mal ansehen müßte. Sieht nämlich eher nach Absicht, als nach Unfall aus. Können Sie mir den Chef mal an den Apparat rufen, Mrs. Billing?«
    May schluckte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie das Gehörte verarbeitet hatte. Der Anruf ' bedeutete ja nichts anderes, als daß Rock nicht im Revier sein konnte. Sie spürte, wie ihr die kalte Faust der Angst fast das Herz abdrückte.
    »Hallo, Mrs. Billing?« fragte der Beamte beunruhigt über das lange Schweigen. »Sind Sie noch da? Können Sie mich nicht verstehen?«
    »Doch, doch…« erwiderte May matt. »Es ist nur… Mein Mann ist nicht da! Er ist die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen…«
    Sie konnte nicht sehen, daß der Beamte im Revier grinste, als er das hörte. Sieh an, dachte er, der Chef macht also mal ‘nen tollen Streifzug durch sämtliche Whiskymarken…
    »Na, dann rufe ich später noch mal an«, sagte der Beamte.
    »Ja«, sagte May mechanisch, fügte dann aber hastig hinzu: »Hallo, hängen Sie noch nicht auf! Es ist nämlich… Ich mache mir Sorgen um Rock. Er wollte irgendeiner Bande nachspüren, sagte er gestern abend. Er hat sogar die Dienstpistole mitgenommen.«
    »Oh…«
    Mehr kam für ein paar Sekunden nicht von dem Anrufer. May fühlte, daß auch er erschrocken war, und diese Tatsache trug nicht dazu bei, ihr neue Hoffnung zu geben.
    »Er sagte zwar, daß es spät werden könnte, aber jetzt ist es doch schon sechs! Und es wird hell draußen! Er kann doch praktisch jetzt gar nichts mehr unternehmen. Denn er braucht doch offenbar den Schutz der Dunkelheit, sonst wäre er doch gleich tagsüber losgegangen…«
    »Ich rufe Bill O'Brien an, Mrs. Billing. Er soll bei Ihnen vorsprechen. Erzählen Sie ihm möglichst genau, was Ihr Mann sagte, bevor er ging. Bill kann der Sache dann sofort nachgehen.«
    »Ja, gut. Danke.«
    »Nichts zu danken, Ma'am. Machen Sie sich keine Sorgen! An den Chef traut sich so leicht keiner ran!«
    May nickte nur stumm und ließ den Hörer kraftlos sinken. In ihrem Herzen war ein dumpfer Schmerz, wie sie ihn noch nie gefühlt hatte.
    Ihr Kleid war zerknittert, denn sie hatte sich die ganze Nacht hindurch nicht ausgezogen. Aber sie hatte auch nicht die Kraft, etwas so alltägliches zu tun wie das Wechseln eines Kleides. Mutlos und niedergeschlagen ließ sie sich in den nächsten Sessel sinken und starrte abwesend vor sich hin.
    Rock… alle ihre Gedanken kreisten um diesen einen Namen. Sie liebte ihn, wie sie nie wieder einen Mann lieben könnte. Und nun…
    Es war kurz nach halb sieben, als es an der Haustür schellte. Sie ging öffnen. Es war Bill O'Brien, der rothaarige Ire, der zur Kriminalabteilung ihres Mannes gehörte. Er hielt den Hut in der Hand und sagte linkisch:
    »‘n Morgen, Ma'am! Vom Revier sagten sie mir, daß ich mal bei Ihnen vorbeikommen möchte. Ist was passiert?«
    »Kommen Sie doch bitte herein, Bill«, sagte May und trat beiseite, um den stämmigen Mann einzulassen.
    »Setzen Sie sich, Bill! Mögen Sie etwas zu trinken?«
    Bill zuckte die Achseln und sagte verlegen:
    »Wenn ich vielleicht eine Tasse Kaffee haben könnte? Ich habe mir nämlich zu Hause gar nicht die Zeit zum Frühstücken genommen.«
    »Natürlich, Bill. Ich setze Wasser auf…«
    Sie ging in die Küche und stellte den Kessel auf den Gasherd. Als sie zurückkam,
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