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0094 - Das Grauen lauert in Soho

0094 - Das Grauen lauert in Soho

Titel: 0094 - Das Grauen lauert in Soho
Autoren: Franc Helgath
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Honorars.
    Warum Harold Snyder sterben sollte, interessierte den smarten jungen Mann nicht. Fragen brachten nur Wissen, und Wissen war mitunter gefährlich. Man lebte weniger aufregend, wenn man nicht zu viel wußte.
    Es reichte ihm vollauf, daß ihm bekannt war, Harold Snyder würde genau um 19 Uhr am Pier 6 des Sowe-Hafens auftauchen, um dort ein Schiff zu besuchen, das er nie erreichen würde.
    Weil Ralph Bela ihm eine Kugel in den Weg legte.
    Der Killer nahm den Fuß vom Gaspedal, weil einerseits der Verkehr zur Innenstadt hin dichter wurde und auch der Nebel undurchdringlicher. Es war nicht mehr weit zur Themse.
    Ralph Bela freute sich auf den Abend mit Suzanne. Er hatte das Mädchen gestern in einer Bar kennengelernt, und heute sollte die Festung fallen. Sie hatte »ja« zu einem gemeinsamen intimen Abendessen gesagt.
    Hoffentlich verspätet sich dieser Snyder nicht! schoß es Ralph Bela durch den Kopf. Der Tisch im »Troubadour« ist schon bestellt.
    Die Innenstadt und ihre vielstöckigen Verwaltungsgebäude, die bei Tag das Londoner Stadtbild verschandelten, blieben links liegen, versanken irgendwo im Nebel, der sich wie ein nicht greifbarer Schwamm, aber genauso feucht, über das Häusermeer gelegt hatte. Die Gebäude wurden zusehends flacher, ärmlicher. Die naßschwarz glänzenden Straßen waren wie leergefegt. Warme Lichter aus den Pubs spiegelten sich im Asphalt.
    Ralph Bela fürchtete um seinen Anzug und um seine Bügelfalten.
    »Zum Glück regnet es wenigstens nicht mehr«, murmelte er und strich sich mit einer Hand über das frischgewaschene Haar. Es duftete nach einem herben Männerparfüm, von dem Suzanne schon gestern kichernd behauptet hatte, es würde sie ungemein erregen.
    Ralph Bela lächelte geschmeichelt, überquerte den Dudan Square und bog in die Sand Street ein.
    Dort überholte er eine Gruppe verlotterter und wankender Gestalten. Er zählte acht Männer und verzog mißbilligend sein gutgeschnittenes Gesicht.
    »Man sollte sie alle in die Themse werfen«, meinte er bei sich und beachtete die Penner nicht weiter. Er war kurz vor seinem Ziel.
    Der Killer stellte den Wagen ab. Draußen im Nebel tuckerte ein Diesel. Die wenigen Kugellampen hatten milchigweiße Lichthöfe. Für die Jahreszeit war es schon viel zu früh dunkel geworden.
    Ein rascher Blick auf die Uhr.
    Snyder mußte in spätestens zehn Minuten hier vorbeikommen.
    Ralph Bela brauchte kein Licht für das, was jetzt folgte. Der kleine schwarze Koffer lag neben ihm auf dem Beifahrersitz. Jeder Handgriff war hundertmal geübt, als er die Einzelteile der Browning Automatic Repetion herausnahm und sie blind zusammensetzte, bis aus den mattierten Stahlteilen eine handliche Maschinenpistole geworden war.
    Er schob ein Magazin in den vorderen Griff und stellte den Hebel auf Dauerfeuer. Ralph Bela haßte Risiken. Placierte Schüsse im Nebel waren so ein Risiko. Deshalb würde Harold Snyder in einem Kugelhagel sterben.
    Bela blieb im Auto sitzen. Er schaute angestrengt aus dem heruntergedrehten Seitenfenster. Wahrscheinlich brauchte er den Wagen nicht einmal zu verlassen, um Snyder zu erledigen. Die Pier war nicht breit, das Schußfeld übersichtlich.
    Unübersehbar waren die acht wankenden Gestalten, die sich aus dem Nebel schälten und mit hängenden Armen näher kamen.
    Bela stieß einen lästerlichen Fluch aus. Ausgerechnet jetzt mußten ihm diese Penner in die Quere kommen, und er fürchtete schon um seinen Abend mit Suzanne, denn auch Harold Snyder mußte jeden Augenblick auftauchen.
    Er nahm den Lauf der BAR wieder vom Fenster und versteckte die Waffe unter dem Armaturenbrett, hoffte, daß die vermeintlichen Penner sich nicht lange aufhalten würden.
    Daß sie das Kennzeichen wiedererkennen würden, machte nichts. Es war gefälscht. Außerdem sahen diese acht Figuren keineswegs so aus, als ob sie gerne mit der Polizei in Kontakt kämen, wenn in den morgigen Mittagszeitungen über den Mord an Harold Snyder berichtet wurde.
    Warum machen sie denn nicht schneller! dachte Ralph Bela ungeduldig. Und jetzt erst fiel ihm auf, daß von dieser Männergruppe etwas Drohendes ausging. Die Art, wie sie auf seinen Wagen zukamen. Sie bildeten einen Halbkreis. Schwarze Schemen aus dem Dunst. Die Köpfe ihm zugewandt. Plötzlich fröstelte Ralph Bela, und das lag nicht an der nassen Kälte, die von draußen zu ihm in den Wagen kroch.
    Zum erstenmal wurde ihm bewußt, daß auch er verletzbar war, daß man auch ihm den Lebensfaden abschneiden konnte.
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