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009 - Der Engel von Inveraray

009 - Der Engel von Inveraray

Titel: 009 - Der Engel von Inveraray
Autoren: Karyn Monk
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Verhungern bewahren, damit sie nicht gezwungen sind, Lebensmittel und Kleidung zu stehlen, um zu überleben."
    „Er ist nicht an Unterernährung gestorben, während er hier war, und wäre auch in der Besserungsanstalt nicht verhungert", gab Governor Thomson zu bedenken.
    „Auch wenn Sie nicht beschlossen hätten, ihn zu sich zu nehmen, war seine Verhaftung das Beste, was ihm widerfahren konnte. Das gilt für alle Herumtreiber wie ihn. Er behauptet, seine Eltern seien tot und er habe kein Zuhause und auch keine Verwandten, die ihn bei sich aufnehmen könnten. In der Besserungsanstalt hätte er wenigstens ein Dach über dem Kopf sowie ein warmes Bett und bekäme drei Mahlzeiten pro Tag."
    „Jungen können nicht von dünnem Haferschleim und Wasser leben, und der Diebstahl von einem Stück Käse und einem Paar Schuhe ist schwerlich ein ausreichender Grund, den Jungen auszupeitschen und ihn zusammen mit einem Mörder in eine eiskalte Zelle zu sperren", erwiderte Genevieve. „Und unsere famosen Besserungsanstalten", fuhr sie spöttisch fort, „sind wenig mehr als Straflager, in denen Kinder misshandelt und unter unsäglichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen werden. Wenn es ihnen gelingt, die Kraft und den Willen zum Überleben aufzubringen, setzt man sie schließlich ohne Geld und ohne eine anständige Ausbildung auf die Straße und erklärt ihnen ungerührt, sie müssten fortan allein zusehen, wie sie im Leben zurechtkommen. Was natürlich zur Folge hat, dass sie abermals in den Teufelskreis aus Diebstahl und Prostitution geraten, um zu überleben."
    „Mehr können wir leider nicht tun, Miss MacPhail", antwortete Governor Thomson.
    „Ich hoffe, ich habe meinen Teil zu einer möglichen Rettung des Jungen beigetragen, indem ich Ihre Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Die anderen Kinder, die ich in Ihre Obhut gab, machen recht gute Fortschritte, nicht wahr?"
    „Es geht ihnen hervorragend", versicherte Genevieve. „Weit besser, als es ihnen sonst ergangen wäre."
    „Und ich bezweifle nicht, dass Sie Ihr Bestes tun werden, um auch Jack dabei zu helfen, seine niederen Triebe zu beherrschen und ein anständiges Leben zu führen."
    Er schloss die Akte. „Wenn er jedoch noch einmal mit dem Gesetz in Konflikt gerät, können weder Sie noch ich etwas für ihn tun, fürchte ich, und er wird seine Strafe in all ihrer Härte absitzen müssen." Er erhob sich von seinem Schreibtisch, blickte Genevieve erwartungsvoll an und bedeutete ihr, dass er ihr Geschäft nun als nahezu abgeschlossen betrachtete.
    Zufrieden darüber, dass alle Einzelheiten des Vertrages ihren Vorstellungen entsprachen, unterzeichnete Genevieve das Dokument, holte das Geld hervor, das sie in der Innentasche ihres Mantels trug, und überreichte es Governor Thomson.
    „Vielen Dank, Miss MacPhail", sagte er lächelnd, während er es hastig zählte. „Ich hoffe, diese Angelegenheit entwickelt sich zu Ihrer Zufriedenheit."
    „Daran zweifle ich nicht." Genevieve erhob sich und ging zur Tür, um Jack mitzuteilen, dass sie nun gehen würden.
    Dann blieb sie wie angewurzelt stehen.
    Wärter Sims, der mittlerweile das gesamte schmutzige Geschirr aus den Zellen eingesammelt hatte, versuchte schwitzend, sich das schwer beladene Tablett auf die Schulter zu hieven. Er kehrte Jack den Rücken zu und bemerkte zunächst nicht, wie der Junge sich auf Zehenspitzen an ihn heranpirschte und heimlich den Schlüsselring vom Gürtel des dicken Mannes löste.
    „He, was zum Teufel treibst du da?" knurrte er plötzlich und fuhr herum.
    „Nichts", entgegnete Jack mit Unschuldsmiene und trat gleichmütig beiseite.
    „Knöpf deine Jacke auf, und lass mich sehen, was du darunter versteckst", verlangte Sims, „ehe ich sie dir eigenhändig von deinem klapperdürren Leib reiße!"
    Panik stieg in Genevieve auf. Falls man Jack beim Stehlen erwischte, noch bevor er das Gefängnis verlassen hatte, würde Governor Thomson keine andere Wahl bleiben, als ihre Vereinbarung für nichtig zu erklären. Jack würde ausgepeitscht und zurück in die Zelle geworfen werden, bis man ihn halb verhungert in die Besserungsanstalt überweisen würde, wo er jahrelang Misshandlungen zu erdulden hätte.
    „Achtung, Mr. Sims!" rief sie plötzlich, und ihr spitzer Schrei hallte von den kalten Steinwänden wider. „Da ist eine riesige Ratte an Ihrem Fuß!"
    Nacktes Entsetzen ließ das Blut aus dem Gesicht des Wärters weichen. „Wo?" schrie er und sprang unbeholfen von einem Fuß auf den anderen, während er
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